
Die explodierenden Reispreise sind für die Regierungen in Asien eine Zeitbombe. Manche Sorten sind heute doppelt so teuer wie im Dezember. Drei Milliarden Menschen in der Welt ernähren sich überwiegend von Reis, 90 Prozent davon in Asien. Um die ständig wachsende hungrige Bevölkerung satt zu bekommen, geben die Regierungen schon jetzt Milliardenbeträge für Subventionen aus. Das Horrorszenario eines Aufstands von Millionen Hungernder bereitet Politikern schlaflose Nächte.
"Selbst Leute, die seit 30, 40 Jahren im Geschäft sind, haben so etwas noch nie gesehen", sagt Wanlop Pichpongsa, Manager bei Capital Rice Company, einem der größten thailändischen Reisexporteure. "Der Preis ändert sich von morgens bis nachmittags, wie im Aktienmarkt."
Weltweit werden nach Angaben des auf den Philippinen ansässigen Internationalen Reis-Instituts (IRRI) im Jahr 457 Millionen Tonnen Reis verzehrt. Von Pakistan bis zu den Philippinen, von China bis Indonesien kommt morgens, mittags und abends Reis auf den Tisch. Darauf zu verzichten, ist für viele undenkbar. "Jeder Sack Reis ist 20 bis 30 Prozent teurer als der letzte", sagt Nui Surasak, ein Fahrer in Nordthailand. "Meine Frau sagt, wir sollten mehr Nudeln essen, aber Nudeln?" fragt er mit deutlicher Abneigung. "Ich kann mir Fleisch und Fisch kaum leisten, Reis ist das einzige, was meinen Bauch füllt", sagt Bauarbeiter Monty San Diego auf den Philippinen.
Die Gründe für die Preisexplosion sind vielfältig, sagt der deutsche Forschungsdirektor des Reis-Instituts, Achim Dobermann. "Der Verbrauch ist mit dem Bevölkerungswachstum rasant gestiegen, die Anbauflächen schrumpfen um Platz für Bebauung und lukrativere Pflanzen zu machen, Unwetter, Trockenheiten und Viruskrankheiten haben viel zerstört - seit sieben Jahren wird mehr verzehrt als geerntet", sagt er. Der Preis sei 2001 auf einem historischen Tief gewesen, Investitionen in besseren Ernteertrag folglich auch.
Das ging gut, weil nach Rekordernten die Lager voll waren. Die gehen aber jetzt zur Neige. Die Philippinen müssen für ihr 88-Millionen-Volk mehr als eine Million Tonnen Reis im Jahr importieren, so viel wie kein anderes Land. Für die Regierung ist der rasante Preisanstieg ein Alptraum. Sie hat ab sofort die Umwandlung von Reisfeldern in Bauland verboten. Die Präsidentin stellte 600 Millionen Euro zur Ankurbelung der Nahrungsproduktion bereit - ein überfälliger Schritt, meint Agrarökonomin Feny Cosico: "Unsere Produktion ist rückständig. Weniger als ein Prozent unserer Reisbauern haben Traktoren oder elektrische Pflüger." Weniger als die Hälfte der bewässerbaren Felder hätten tatsächlich Wasserversorgung.
Wegen knapper Lagerbestände und aus Sorge vor einer Hungersnot im Milliardenvolk hat Indien Anfang dieses Jahres seine Reisexporte gestoppt. "Wer den heimischen Markt so stabilisiert, exportiert die Instabilität aber", sagt Sumitr Broca von der Weltagrarorganisation (FAO) in Bangkok. Ägypten liefert nicht mehr, Kambodscha auch nicht und Vietnam, dessen Ernten im Mekongdelta von Virusepidemien schwer dezimiert wurden, verhängte strikte Exportobergrenzen, ebenso China.
"Jetzt kommen alle nach Thailand", sagt der Präsident des thailändischen Reisexportverbandes, Chookiat Ophaswongse. Die ersten thailändischen Exporteure mussten schon Lieferverträge platzen lassen, obwohl die Ernten gut waren. "Es wird immer schlimmer, wir finden einfach keinen Reis im Markt", sagte er. Dazu tragen auch Spekulanten bei, die die teure Ware horten und damit künstlich weiter verknappen, um von den steigenden Preisen zu profitieren.
Die Lösung der Krise, sagt Dobermann, ist eigentlich einfach: Mit besseren Anbaumethoden, Düngung, Wasser- und Pestmanagement sowie besserem Transport und Lagerung könnte er Ertrag sofort um 20 Prozent gesteigert werden. Langfristig seien bessere Sorten nötig, solche, die Überschwemmungen überleben, salzwasser- und schädlingsresistent sind. "Der politische Wille muss da sein", sagt er: für Investitionen in bessere Ausbildung der Bauern und Bewässerungsanlagen, und schnellere Zulassungsverfahren für neue Sorten./oe/DP/wiz
--- Von Christiane Oelrich, dpa --- AXC0011 2008-04-22/07:26