Bremen (ots) - BREMEN/BONN. Jeder dritte Bundesbürger glaubt nicht mehr daran, dass Demokratie Probleme löst und fast jeder Zweite kann sich vorstellen, bei der Bundestagswahl im kommenden Jahr nicht abzustimmen. Nach einer neuen Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) verlangen sogar 57 Prozent der Deutschen mindestens eine Reformpause, wenn nicht sogar die Rücknahme der Veränderungen. Das berichtet der in Bremen erscheinende "Kurier am Sonntag" in seiner aktuellen Ausgabe. Das Münchener Institut Polis/Sinus hatte 2500 Bundesbürger für die SPD-nahe FES befragt und die Erkenntnisse geliefert. Eigentlich hatten die Initiatoren der Studie nur Zahlen über die zunehmende Wahlenthaltung gesucht, bericchtet das Bremer Blatt. "Publikumsbeschimpfungen helfen da nicht weiter, deshalb wollten wir es genauer wissen", umschreibt Frank Karl von der FES den Arbeitsauftrag für die Forscher. Doch eine so große Distanz zum politischen Geschehen hatte man trotz der wachsenden Armut nicht erwartet. "Ich fürchte, rund ein Drittel der Menschen hat sich schon von der Demokratie verabschiedet", urteilt Karl angesichts des Befundes. Während im gesamten Bundesgebiet jeder Dritte glaubt, dass Demokratie keine Probleme mehr löst, sind in Ostdeutschland sogar 53 Prozent der Menschen dieser Ansicht. Vier von zehn Deutschen zweifeln demnach insgesamt, dass die Demokratie überhaupt noch funktioniert. Die Forscher hat bei ihren Interviews mit den repräsentativ ausgewählten Bürgern überrascht, dass sich nicht nur wirtschaftlich schwächere Schichten demokratie-kritisch äußern, sondern die Glaube an das politische System offenbar insgesamt dramatisch zurückgegangen ist. Zuerst entfernen sich zwar jene Schichten, die sich selbst als abgehängt oder arm betrachten, die Distanz zur Demokratie reicht aber weit über diese Gruppe hinaus. "Das deutet darauf hin, dass viele Menschen fürchten, demnächst abzurutschen und sie machen das System dafür verantwortlich", analysiert Karl. Die Befragung hat ergeben, dass sich nur noch 62 Prozent der Bürger gerecht behandelt fühlen, während jeder Vierte sich ausdrücklich beklagt und angibt "ungerecht" behandelt zu werden. Doch nicht nur diese Menschen haben den Glauben an eine bessere Zukunft verloren: Nur noch jeder Dritte (31 Prozent) geht optimistisch in die kommenden Jahre; der große Rest befürchtet Einschränkungen oder sieht die Gefahr, gesellschaftlich und/oder finanziell abzurutschen. Natürlich finden sich unter den demokratiefernen Schichten besonders viele Arbeitslose und Hartz IV Empfänger. "Aus persönlichem Misserfolg wird Staatsferne", urteilt Frank Karl gegenüber ddem "Kurier am Sonntag". Die Volksparteien leiden natürlich besonders stark unter diesem Vertrauensverlust: "Die müssen Loyalität zum System organisieren und erreichen mindestens ein Drittel der Bevölkerung nicht mehr". Die gegenwärtige Politik überzeugt offenbar gerade die Verlierer der Gesellschaft nicht und weil deren Zahl zunimmt, wächst die Gefahr für die Demokratie insgesamt. "Die Menschen glauben nicht mehr an den Aufstieg", fürchtet Karl.
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