Der großen Koalition stehen weitere Auseinandersetzungen über die Einführung von Branchen-Mindestlöhnen bevor. Der Wirtschaftsrat der CDU will den Kompromiss, den die Regierung am Mittwoch beschlossen hat, im Bundestag stoppen. Nach Informationen des "Focus" wird im Bundeswirtschaftsministerium zudem über "Bereinigungsgesetze" zu Mindestlohnregelungen nachgedacht. Sie könnten für den Fall greifen, dass sich die Kostenbelastung für die Wirtschaft in Zeiten abgeschwächter Konjunktur als zu groß erweist.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sagte am Sonntagabend im "Bericht aus Berlin" der ARD: "Es ist so, dass wir über die einzelnen Branchen noch zu reden haben." Merkel lehnte erneut die Aufnahme der Zeitarbeit in das Entsendegesetz ab. "Es gibt unterschiedliche Tarifverträge. Aber es gibt kein Lohndumping in der Zeitarbeit. (...) Deswegen finde ich, braucht die Zeitarbeit nicht aufgenommen zu werden in das Entsendegesetz."
Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) wertete den Kompromiss der Bundesregierung indes als Schritt zu einem flächendeckenden Mindestlohn in Deutschland: "Ich bleibe bei meiner Forderung: Wir brauchen einen generellen Mindestlohn von 7,50 Euro als unterste Haltelinie, in West und Ost", sagte Tiefensee der "Welt am Sonntag". "Dumpinglöhne, die der Steuerzahler aufstockt, sind der falsche Weg. Für erstklassige Arbeit muss erstklassiger, würdiger Lohn bezahlt werden. Hier sind zunächst die Tarifparteien gefordert."
CDU-WIRTSCHAFTSRAT WIRFT SPD 'SALAMITAKTIK' VOR
Der Präsident des CDU-Wirtschaftsrates, Kurt Lauk, warf den Sozialdemokraten eine "Salamitaktik" zugunsten ihrer Klientel vor. "Mit dieser Einigung am Kabinettstisch ermöglicht es die große Koalition den großen Gewerkschaften, die kleinen Gewerkschaften praktisch auszuschließen", sagte Lauk der "Welt am Sonntag". Deshalb müsse nun der Bundestag das Schlimmste verhindern: "Er muss den eindeutigen Bruch des Tarifrechts vermeiden und den Wettbewerb zwischen großen und kleinen Gewerkschaften sichern. Gelingt dies nicht, droht erneut ein Desaster beim Bundesverfassungsgericht."
Die Bundesregierung hatte am Mittwoch nach monatelangem Ringen die von der Wirtschaft heftig bekämpften Gesetzentwürfe zur Ausweitung von Mindestlöhnen beschlossen. Beim Entsendegesetz ging es vor allem um die Frage, welcher Tarifvertrag für allgemeinverbindlich erklärt werden kann, wenn mehrere Verträge mit unterschiedlicher Lohnhöhe gelten. Bei konkurrierenden Tarifverträgen kann nun einer der beiden - und zwar der mit der geringeren Tragweite - verdrängt werden. Damit soll verhindert werden, dass eine Minderheit die Mehrheit dominiert./rh/DP/he
AXC0041 2008-07-20/20:15