Die Bundesregierung drückt im Kampf gegen die sich verschärfende Finanzkrise aufs Tempo. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) will das Rettungspaket für die angeschlagene Finanzbranche per Eilverfahren auf den Weg bringen. Nach dpa-Informationen sollen die Milliardenhilfen bereits nächste Woche von Kabinett, Bundestag und Bundesrat "in einem ordnungsgemäßen Gesetzgebungsverfahren" verabschiedet werden. Dazu muss aber auch die Opposition ihr Einverständnis erklären.
Details des deutschen Rettungsplanes sollen auf dem Treffen der Staats- und Regierungschefs der Euro-Gruppe an diesem Sonntagabend in Paris erörtert werden. Im Gespräch ist neben Liquiditätshilfen zur Ankurbelung des Kreditgeschäfts zwischen Banken auch eine vorübergehende Beteiligung des Staates. Die Regierung erwägt, Garantien in dreistelliger Milliardenhöhe zu gewähren. Zudem könnte Instituten Eigenkapital in zweistelliger Milliardenhöhe zur Verfügung gestellt werden; dafür würde der Bund als Teilhaber bei Banken einsteigen.
MERKEL SCHLIESST KAPITALSTÜTZUNGEN NICHT AUS
Merkel kündigte am Samstag an, dass die Entscheidungen über das deutsche Maßnahmenpaket nach dem Euro-Spitzentreffen bekanntgegeben und umgesetzt würden. Sie schließe nicht aus, dass es Kapitalstützungen für Banken gebe. Dies bedeute jedoch keine Verstaatlichung, betonte Merkel im französischen Ort Colombey-les-deux-Églises. Es sei lediglich eine Hilfe des Staates, die die Banken in die Lage versetze, eigenständig zu handeln. Einen europäischen Hilfsfonds lehnte Merkel erneut ab. Ziel des Treffens der 15 Euro-Staaten sei eine "abgestimmte Reaktion des Euroraums auf die Finanzkrise mit notwendigen Spielräumen für die einzelnen Mitgliedsstaaten".
Laut Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) sollen die Maßnahmen zügig zur Entspannung beitragen. Die Pläne der Bundesregierung sind Teil der intensiven internationalen Aktivitäten, um die ins Trudeln geratenen Finanzmärkte und Börsen wieder zu beruhigen. Die sieben führenden Industriestaaten (G7) hatten sich am Freitagabend (Ortszeit) in Washington auf einen Aktionsplan verständigt. Die gegenwärtige Lage verlange "dringende und außergewöhnlichen Maßnahmen", heißt es in einer Erklärung der G7-Finanzminister und -Notenbankchefs.
STEINBRÜCK: 'WEITREICHENDE VERABREDUNGEN'
Steinbrück sprach nach dem G7-Treffen von "sehr weitreichenden" Verabredungen. Die Maßnahmen der Bundesregierung sollten bereits am Montag "Signalwirkung" haben: "Ich bin mir ziemlich sicher, dass die Märkte sich beruhigen können". Bundesbank-Präsident Axel Weber betonte, die Lage erfordere "außergewöhnliche und schwerwiegende" Schritte. Auch er zeigte sich überzeugt, dass die Maßnahmen als "klare vertrauensbildende Signale" wahrgenommen werden. "Dann werden wir auch diese Vertrauenskrise an den Märkten überwinden."
Die G7-Länder USA, Japan, Deutschland, Großbritannien, Frankreich, Kanada und Italien wollen keinen Zusammenbruch einer Bank zulassen, die von großer, "systemrelevanter" Bedeutung ist. Auch sind die G7 bereit, von staatlicher Seite für Liquidität zu sorgen. Das "eingefrorene" Kreditgeschäft zwischen Banken soll in Gang gesetzt werden. Den einzelnen Ländern sollen aber weiter auf ihre Lage zugeschnittene Schritte freistehen, hieß es. Die G7 wollen auch sicherstellen, dass die Systeme zur Sicherung von Bankeinlagen "robust" sind. Dadurch soll gewährleistet werden, dass Bankkunden weiter auf die sichere Verwahrung ihrer Guthaben vertrauen können. Zudem soll der Markt für mit Hypotheken verbundenen Wertpapieren in Gang gesetzt werden. Ziel sei auch mehr Transparenz.
BUSH: LÖSUNG IST 'GLOBALE AUFGABE'
US-Präsident George W. Bush bekräftigte, dass die Lösung der Krise eine globale Aufgabe sei. "Wir stecken gemeinsam drin, und wir werden gemeinsam herauskommen", sagte Bush am Samstag nach einem Treffen mit den G7-Finanzministern sowie den Chefs von Weltbank und Internationalem Währungsfonds (IWF), Robert Zoellick und Dominique Strauss-Kahn. US-Finanzminister Henry Paulson sagte, der G7-Plan sei ein "einheitlicher Rahmen, der unsere individuellen und gemeinsamen Schritte leiten wird, um die Märkte mit Liquidität zu versorgen, Finanzinstitutionen zu stärken sowie Sparer und Investoren zu schützen." Die US-Regierung wolle zudem Banken-Anteile kaufen.
Die Staaten der Euro-Zone werden nach den Worten der französischen Wirtschaftsministerin Christine Lagarde "wahrscheinlich" wie die USA notleidende Banken mit Staatskapital wieder aufrichten können. Für Frankreich komme eine Teilverstaatlichung derzeit nicht in Betracht. Bundespräsident Horst Köhler ging mit der Finanzbranche hart ins Gericht. "Mehr Selbstkritik wäre gut, Menschen, die sagen: Ja, hier haben wir einiges falsch gemacht, und dafür stehen wir jetzt gerade", sagte Köhler dem "Spiegel". Die Wirtschaftseliten müssten wieder lernen, "was Maß und Mitte ist, was Bodenhaftung bedeutet"./sl/fb/DP/zb
AXC0008 2008-10-11/20:21