DJ Kommentar der Financial Times Deutschland zu Israel / Neuwahlen - vorab 27.10.2008
Alles oder nichts Zipi Livni hatte die Wahl zwischen Erpressung und Neuwahlen. Und Israels Außenministerin, die sich wochenlang um die Bildung einer neuen Regierung bemüht hatte, hat sich so entschieden, wie es zu ihrem Bild als Sauberfrau der israelischen Politik passt: gegen die Erpressung durch die kleine, aber entscheidende Schas*Partei. Und gegen das enge Korsett, in das sie die Ultraorthodoxen in der Sozialpolitik und der Palästinenserfrage zwängen wollten. Doch so honorig es ist, dass Livni nicht um jeden Preis an die Macht strebt * für die Chefin der Regierungspartei Kadima ist die Entscheidung für Neuwahlen ein Sprung ins Dunkle. Zwar geht Livni aus einer Position der moralischen Stärke in den Wahlkampf gegen Oppositionsführer Benjamin Netanjahu. Ob ihr Mut aber auch belohnt wird, kann heute kein Meinungsforscher sagen * zumal das Scheitern der Koalitionsverhandlungen auch auf Livni zurückfällt. Sicher ist dagegen: Für den Friedensprozess im Nahen Osten sind Neuwahlen der einzig richtige Schritt. Gewiss besteht das große Risiko, dass mit einem Wahlsieg des Falken Netanjahu eine Zweistaatenlösung erst einmal vom Tisch ist. Hätte Livni der Forderung der Schas*Partei nachgegeben, den Status Jerusalems bei den Gesprächen mit den Palästinensern zum Tabu zu erklären, wären die Aussichten auf Frieden aber kaum besser gewesen. Livnis Chance besteht darin, dass viele Israelis einen doppelten Neuanfang wollen. Zum einen haben sie genug von der allzu schmuddeligen Politik, von Korruption und Affären, die die höchsten Staatsämter diskreditiert haben. Zum anderen sind viele Bürger den zermürbenden Dauerkonflikt mit den Palästinensern derart leid, dass sie inzwischen zu großen Zugeständnissen bereit sind. Wenn die Israelis einen Obama wollen, ist Netanjahu der falsche Mann. Kontakt: Kommentar@ftd.de Thomas Steinmann * 040/31990483 Ruth Fend * 040/31990334 Nils Kreimeier * 030/22074144
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October 26, 2008 15:17 ET (19:17 GMT)