Forderungen einer Expertengruppe nach einer stärkeren Bündelung der Energiepolitik in der Bundesregierung haben einen alten Kompetenzstreit der großen Koalition neu belebt. Der Staatssekretär im Wirtschaftsministerium, Jochen Homann, forderte am Donnerstag, die Themen von der Energieversorgung über Energie-Einsparungen bis zum Ausbau erneuerbarer Energien auf das von Michael Glos (CSU) geführte Wirtschaftsministerium zu konzentrieren. Damit bricht ein Streit mit SPD-Umweltminister Sigmar Gabriel wieder auf. Energiepolitische Aufgaben von Glos seien zum Teil von Gabriel erledigt worden, erwiderte der Vizechef der SPD-Bundestagsfraktion, Ulrich Kelber, im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur dpa.
Homann reagierte mit der Forderung nach mehr Kompetenzen auf die von Glos eingesetzte Projektgruppe Energiepolitisches Programm (PEPP). Sie legte zehn Vorschläge für eine künftige Energiepolitik "aus einer Hand" vor. Um die Fäden zusammenzuführen, wird eine verbindliche "Energieverfassung" für Deutschland sowie neben dem Ausbau der Öko-Energien auf Jahrzehnte das Festhalten an der Kohle und der Kernenergie verlangt. Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) begrüßte die Forderungen. Milliardenschwere Investitionen erforderten jedoch "schnellere Genehmigungsverfahren", sagte Verbands-Hauptgeschäftsführerin Hildegard Müller.
Die deutschen Kernkraftwerksbetreiber gehen fest davon aus, dass es nach der Bundestagswahl im Herbst zur Laufzeit-Verlängerung von Atomkraftwerken kommt und so der von Rot-Grün im Jahr 2000 mit der Branche vereinbarte Atomausstieg gestoppt wird. Dafür haben sich Union und FDP stark gemacht, die für den Fall eines Wahlsiegs bereits ihr Interesse an einer Koalition bekundet haben. Die Grünen warnten vor dem Festhalten an dieser "Risikotechnologie".
Der Präsident des Atomforums, Walter Hohlefelder, erklärte: "Die Kernenergie ist unverändert tragende Säule der deutschen Stromversorgung." Das verlangten auch die Wirtschaftskrise und der russisch-ukrainische Gasstreit. Nach der Wahl müsse aber auch die Endlager-Frage für den Atommüll entschieden werden. Die Union plädiert dabei für den Standort Gorleben. Auch Bayerns Umweltminister Markus Söder (CSU) forderte neben einem starken Öko-Energieausbau vorübergehend ein längeres Festhalten an der Kernenergie.
Zum aktuellen Kompetenzstreit erklärte ein Sprecher des Umweltressorts: "Es ist dem Bundeswirtschaftsministerium unbenommen zu überlegen, welcher Ressortzuschnitt nach der Wahl wünschenswert wäre." Wichtig wäre die Umsetzung des Energieeffizienz-Gesetzes. "Es wäre schön, wenn das Wirtschaftsressort hier ähnliches Engagement an den Tag legen würde wie bei der Vorbereitung des Wahlkampfs."
Nach Aussage von Homann ist es "auf Dauer nicht sinnvoll", dass sein Ressort für traditionelle Energieträger wie Kohle und Atomstrom zuständig ist und das Umweltministerium für Öko-Energien. Eine Kompetenzverlagerungen auf das Wirtschaftsministerium forderte auch der Geschäftsführer der Deutschen Energie-Agentur dena, Stephan Kohler, ansonsten gab es hierzu kein Einvernehmen in der Gruppe. Nicht auf ein Ressort festlegen wollten sich Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) und der Chef des Deutschen Zentrums für Luft-und Raumfahrt (DLR), Johann-Dietrich Wörner. Ein eigenes Energieministerium wurde nicht gefordert.
Die PEPP erklärte: "Auch in den nächsten Jahrzehnten werden konventionelle Energieträger wie Erdöl, Erdgas, Kohle und Uran (...) wichtige Eckpfeiler unserer Energieversorgung bleiben". Wegen der Bürgerproteste gegen neue Kraftwerke solle die Politik in der Bevölkerung für mehr Akzeptanz von Kohle- und Atomenergie sorgen./wb/ari/DP/stw
AXC0216 2009-02-05/18:18