DJ Kommentar der Financial Times Deutschland zur Debatte um eine Erhöhung der Mehrwertsteuer - vorab 29.06.2009
 Einfach mal gar nichts tun Eigentlich könnte sich die SPD freuen: Ein besseres Wahlkampfthema als eine Debatte um die Erhöhung der Mehrwertsteuer hätte ihr die Union gar nicht liefern können. Diese Steuer belastet vor allem die klassische SPD-Klientel der Geringverdiener, die kaum Geld zum Sparen übrig haben und deshalb einen großen Anteil ihres Einkommens in den Konsum stecken. Auch sonst bietet das Unionsschauspiel alles, um zum SPD-Wahlkampfschlager zu werden. Es untergräbt die Wirtschaftskompetenz von CDU und CSU und legt die Führungsschwäche der Kanzlerin bloß. Auch wenn Angela Merkel noch so sehr versucht, die Debatte zu ersticken: Sie bekommt die eigenen Reihen einfach nicht in den Griff. Angesichts dieser Steilvorlagen ist es bemerkenswert, wie verhalten die SPD beim Thema Mehrwertsteuer agiert. Statt aus allen Rohren auf die Union zu feuern, gibt es bisher nur vereinzelt Kritik. Und wenn, dann vor allem an Merkels Führungsstil. Die SPD scheint sich nur klammheimlich zu freuen. Sie traut sich bisher nicht, noch einmal das Spiel von 2005 zu spielen, als Gerhard Schröder und Franz Müntefering im Wahlkampf gegen die âEUR Merkel-Steuer' wetterten, um sie gleich nach der Wahl selbst mit zu beschließen. Dass die Steuern mittelfristig irgendwie erhöht werden müssen, scheint in den großen Volksparteien wie auch bei vielen Ökonomen mittlerweile die mal mehr und mal weniger ausgesprochene Grundüberzeugung zu sein. Dahinter steckt die Ratlosigkeit darüber, wie man die Krise des Staatshaushaltes sonst in den Griff kriegen soll. Auch wenn das offizielle Wahlprogramm der Union den Bürgern noch Entlastungen verspricht, so richtig daran glauben mag niemand mehr. Ökonomisch betrachtet taugen weder die Steuersenkungsrhetorik noch der Steuererhöhungsfatalismus als Weg aus der Krise. Dass ein Verzicht auf Einnahmen derzeit unrealistisch ist, ergibt sich angesichts der gewaltigen Löcher im Staatshaushalt von selbst. Doch allein mit steigenden Steuersätzen lassen sich diese Löcher auch nicht stopfen, erst recht nicht mit einer höheren Mehrwertsteuer. Wer den Konsum belastet, nimmt in Kauf, dass die Wirtschaft weiter abstürzt. Und das bedeutet immer auch niedrigere Steuereinnahmen. Die einfachste Lösung wäre deshalb die beste: einfach mal gar nichts tun und auch nichts versprechen. Doch das fällt gerade in Wahlkampfzeiten so schwer.
(END) Dow Jones Newswires
June 28, 2009 14:38 ET (18:38 GMT)