Eine weltweite koordinierte Reform des Finanz- und Bankenwesens wird angesichts der anhaltenden Wirtschafts- und Finanzkrise immer wahrscheinlicher. Darüber waren sich die führenden Politiker, aber auch zahlreiche Banker aus aller Welt beim Weltwirtschaftsgipfel in Davos einig, der am Sonntag nach fünf Tagen zu Ende ging. Als genauso dringend wird aber angesehen, dass die noch schwache Konjunkturerholung in den Industriestaaten nicht abgewürgt wird und neue Arbeitsplätze geschaffen werden.
Am Samstag hatten sich zwei Stunde lang Vertreter aus Politik und Finanzwirtschaft in Davos zu einem Gedankenaustausch über diese Frage getroffen. Nach den Gesprächen war von einem "höchst konstruktiven Dialog" die Rede. Forderungen nach einer solchen Reform hatte vor allem Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkozy in seiner Eröffnungsrede und der nicht anwesende US-Präsident Barack Obama erhoben.
Wie Delegationsteilnehmer berichteten, ist eines der Hauptziele, durch eine Überregulierung den Wirtschaftsaufschwung nicht abzubremsen. Diese Sorge zog sich durch viele der Podiumsdiskussionen, an denen 2500 Führungskräfte aus Politik und Wirtschaft, teilnahmen. So mahnte der Chef der Deutschen Bank, Josef Ackermann, die Banker wüssten, dass etwas rasch passieren muss, damit das Vertrauen in das System wiederhergestellt werde. "Wir brauchen aber eine Optimierung zwischen Stabilität und Effizienz". Die Banken zu stark zu beschneiden, führe nicht aus der Krise, so die These Ackermanns, die er in Davos vehement vertreten hat. Die Banken dienten der Wirtschaft.
Ackermann hatte in Davos seine Forderung wiederholt, einen europäischen Fonds einzurichten, mit dem ins Schlingern geratene Geldhäuser aufgefangen oder abgewickelt werden können. Der Großteil der Gelder für diesen Fonds müsste natürlich von den Banken kommen. Auch forderte der Deutsche-Bank-Chef eine Harmonisierung der Kapital- und Liquiditätsvorschriften auf globaler Ebene.
Dies entspricht dem grundsätzlichen Ruf in Davos nach globalen statt nationalen Regeln zur Vermeidung künftiger Krisen. Doch dies müssen mit Vorsicht angegangen werden, damit die Märkte funktionsfähig blieben. "Wir haben die Sorge, dass die Konjunkturspritzen zu früh beendet werden", sagte der Direktor des Internationalen Währungsfonds (IWF), Dominique Strauss-Kahn, am Samstag. Die französische Wirtschaftsministerin Christine Lagarde sagte, ein Zeitplan sei von entscheidender Bedeutung. "Wir müssen wieder den Aufschwung fördern und gleichzeitig das Reformprogramm durchziehen."
An den zweistündigen Davoser Kontakten hatten nach Angaben von
Beteiligten unter anderem Vertreter der USA, Großbritanniens,
Chinas, der EU und Japans sowie Finanzmanager der Deutschen Bank, JP
Morgan Chase, HSBC
Der amerikanische demokratische Abgeordnete und Finanzexperte Barney Frank sagte, bei den Gesprächen sei es um eine internationale Koordination der Vorschläge gegangen. "Sie (die Banker) wissen, dass es zu einer Regulierung kommen wird", sagte Frank. Daran habe es bisher gefehlt, und deswegen sei es auch zu der Krise gekommen. Man habe den Bankern auch klar gemacht, dass es nicht darum gehe, sie alleine an den Pranger zu stellen.
Obamas Wirtschaftsberater Lawrence Summers sagte, es gebe keine Zweifel, dass ein strenges neues Regelsystem nötig sei, damit das System nicht erneut zusammenbreche. Auch müsse schnell gehandelt werden, wozu Beschränkungen für die großen Finanzinstitute gehörten, die einen ganzen Staat in den Abgrund reißen könnten. Und man könne die Staatsdefizite nicht uferlos wachsen lassen. Sonst könne man das Vertrauen nicht wiedergewinnen.
Experten erwarten, dass schon jetzt zahlreiche Banken wieder so gewachsen sind, dass sie bei einer erneuten Krise nicht mehr zu retten wären. "Das Geld ist ja bereits ausgegeben", hatte Summers gewarnt. Summers mahnte aber auch, dass man die Hauptaufgabe, nämlich Arbeitsplätze zu schaffen, nicht aus den Augen verlieren dürfe. Ähnlich sieht das Peter Voser, Konzernchef von Shell. Er sagte im Gespräch mit der "NZZ am Sonntag", drängender als neue Bankengesetze seien Ideen, wie die weltweit steigende Arbeitslosigkeit zu bekämpfen sei./hpd/DP/fn
ISIN GB0005405286 GB0004082847 US0605051046
AXC0012 2010-01-31/14:34