Blick auf die Börse von Oliver Roth*
28. Oktober 2010. Die Berichtssaison ist in vollem Gang. Unternehmensdaten fluten die Märkte und die Journalisten kommen mit ihrer Berichterstattung kaum noch nach. Deutsche Bank Ergebnisse wie erwartet. Apple, IBM und SAP enttäuschen dagegen die Investoren. Berichte über die mikroökonomischen Resultate des 3. Quartals füllen Tageszeitungen und Nachrichtensender. Doch das ist alles nur Tagesgeschäft. Während diese Unternehmenszahlen die Börsen eher kurzfristig beschäftigen, werden hinter den Kulissen der Zentralbanken die langfristig interessanten Gleisstellungen vorgenommen. Langfristige Investoren sollten das Gesamtbild der Finanzmärkte betrachten und nicht nur das einzelne Mosaik in Augenschein nehmen. Geldpolitik heißt das Zauberwort. Bleiben die Zinsen niedrig? Wird die Federal Reserve Bank weiter Geld in den Markt pumpen um die flaue US Ökonomie zu stimulieren? Wie ist die Lage der Börsen und wie sind die Aussichten?
Die Lage
Die Börsen von New York bis Hongkong verharren derzeit auf Jahreshöchstständen. Nur der Nikkei-Index in Tokyo verliert aufgrund des teuren Yen im Jahr 2010 18 Prozent. Die gefühlte Stimmung an den Märkten ist aber keineswegs euphorisch zu nennen, denn die Handelsumsätze an den Börsen sind weiter gering. Die Aktienmärkte feiern eine Party und keiner geht hin, könnte man meinen. Die "Partymuffel" sind aber nicht nur die vergraulten "Kleinanleger" sondern auch große institutionelle Investoren die dem (Börsen)Braten nicht so recht trauen wollen. Zu wenig Dynamik entwickelten die Aktienbörsen in letzter Zeit, als das man aus vermeintlich sicheren Renteninvestments aussteigt. Die Weltwirtschaft boomt und wird 2010 um 4,5 Prozent wachen. Deutschland profitiert davon kräftig und man erwartet hier ein Wachstum von bis zu 3,5 Prozent in diesem Jahr. Durch Rationalisierung und Kosteneinsparungen aus der Wirtschaftskrise gestärkt hervor gegangen, verdienen die deutsche Firmen nun viel mehr Geld als vor Jahresfrist zu hoffen war. Die aktuellen Unternehmensergebnisse aus dem 3. Quartal bestätigen nochmals diesen positiven Trend nachdrücklich. Billiges Geld lässt zusätzlich auf gute Zeiten hoffen. Der Euro erholte sich innerhalb der letzten Wochen, besonders im Verhältnis zum US-Dollar. Ein weiterer Anstieg unserer Währung auf 1,43 US- Dollar wird erwartet. Ein starker Euro schwächt zwar zum einen unsere Exporterträge und damit die zukünftigen Unternehmensgewinne. Zum anderen zeigt ein steigender Euro gleichzeitig ein großes internationales Interesse an unserer Währung und das bedeutet jede Menge Bargeld das in unsere Kapitalmärkte investiert werden muss. Noch ist dieses Geld eher am kurzen Ende - im Geldmarkt - geparkt oder in den Bondmarkt geflossen. Das beweist auch das Allzeithoch des Bund Futures vor 6 Wochen bei 134,77. Noch sind viele langfristigen Investoren nicht von einem andauernden positiven Aufwärtstrend im Aktienmarkt überzeugt. Genau darin liegt aber die Chance auf steigende Kurse.
Trend
Die Berichtssaison geht in diesen Tagen in die zweite Runde. Die US- Quartalszahlen neigen sich dem Ende und die deutschen Konzerne geben ihre Resultate schrittweise preis. Noch beeinflussen hauptsächlich diese mikroökonomischen Daten die Aktienmärkte. Die Zahlenflut überraschte bisher positiv und ließ die Börsen auf Jahreshöchststände steigen. Doch die Börsenumsätze lassen zu wünschen übrig. Der Anleger ist ein scheues Reh. Zu groß scheint bisher die Scheu vor Kurseinbrüchen und einer Konjunkturabkühlung zu sein, um mehr Anleger vom Aktieninvestment zu überzeugen. Doch der Aufwärtstrend geht meiner Meinung nach bis zum Jahresende weiter. Denn die Berichtssaison verspricht weiterhin positive Impulse für die Märkte. Deutsche Unternehmen haben im vergangenen Quartal gut verdient. Denn sie haben ihre Hausaufgaben während der Krise gemacht und ihre Kosten massiv reduziert. Zusätzlich boomt besonders die Exportwirtschaft. Billiges Geld gepaart mit geringen Kosten und vollen Auftragsbüchern der deutschen Unternehmen, ist der Stoff aus dem Rallyes gemacht werden.
Aussichten
Kurzfristig sind Quartalsgewinne für die Börsen von großem Interesse und führen mitunter zu starken Kursschwankungen auf dem Parkett. Mittelfristig beeinflussen vor allem betriebswirtschaftliche Faktoren wie Unternehmensgewinne, Dividenden oder volkswirtschaftliche Faktoren wie die Konjunkturentwicklung die Finanzmärkte. Doch diese Betrachtungsweise ist nur eine Seite der Medaille. Auf der anderen Seite der Medaille befindet sich beispielsweise die Zinspolitik. In einem eher inflationären Umfeld sind niedrige Zinsen langfristig bisher immer ein guter Indikator für Aktieninvestments gewesen. Die Zinsen sind auf dem niedrigsten Niveau seit Jahrzehnten. Und das wird zunächst auch so bleiben, weil die Angst vor einer erneuten Weltwirtschaftskrise zu groß ist. Das sorgte bereits für viel verfügbares Kapital in der Finanzwelt. Weil das besonders in den USA bisher nicht ausreichte fluten die Notenbanken die Märkte weiter mit Liquidität durch den Aufkauf von Anleihen. Die US-Notenbank Fed hat sich besonders dabei hervor getan. Und das wird auch so weiter gehen, denn andere Optionen haben sie nicht mehr. Die Fed wird auf ihrer Sitzung am 3. und 4. November einen weiteren Aufkauf von Anleihen beschließen. Innerhalb der Krise hat man bereits US-Staatsanleihen im Wert von 300 Milliarden US-Dollar und Immobilienpapiere von über eine Billion US-Dollar aufgekauft. Die Fed wird weiter fleißig Dollars in den Markt pumpen um die kränkelnde US-Wirtschaft zu stützen. Man will unter allen Umständen eine weitere Rezession in den USA verhindern. Der IWF erwartet in den USA lediglich ein Wirtschaftswachstum von 2,4 Prozent in diesem Jahr bei einer Arbeitslosenquote von fast 10 Prozent. Die Fed Maßnahmen führen zu einer wahren Geldflut und gleichzeitig zu einem Anlagenotstand der großen Investoren wie Pensions- und Investmentfonds. Die Märkte ertrinken nahezu in Liquidität wo durch der Investmentzwang weiter steigt. Besonders für das Euroland sieht es aktuell gut aus. Der Eurokurs steigt immer weiter, weil besonders die Chinesen unabhängiger vom Dollar werden wollen. Der Kauf von Euros durch Asiaten fördert zusätzlich den Drang in europäische Märkte zu investieren. Deshalb sprechen zunächst viele Faktoren für steigende Börsenkurse.
Es gibt natürlich auch Faktoren die einen Aufschwung der Börsen gefährden könnten. Beispielsweise ist die generell hohe Staatsverschuldung eine Gefahr für den Aufschwung. Ein plötzlicher Einbruch der Weltkonjunktur verursacht durch eine US-Rezession oder einen China-Crash wäre ein weiteres Risiko für die Börsenentwicklung. Doch diese Krisenszenarien sind zumindest aktuell nicht sehr akut. Irgendwann allerdings werden uns die Fehler der Gegenwart wieder einholen. Denn ungestraft darf auch Fed-Chef Ben Bernanke oder Helikopter Ben die Welt nicht in Geld ertränken.
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© 28. Oktober 2010 / Oliver Roth
* Oliver Roth ist Chefhändler und Börsenstratege der auf mittelständische Unternehmen fokussierten Close Brothers Seydler Bank AG. Die Bank gehört seit 2005 zu der an der Londoner Börse gelisteten Close Brothers Group plc, London. Die Geschäftsfelder der Close Brothers Seydler Bank sind Designated Sponsoring, Corporate Finance, Aktien-Sales und Research, der Handel in Aktien und Renten, sowie die Skontroführung auf der Frankfurter Wertpapierbörse in über 2100 in- und ausländischen Aktien- und Rententiteln. Roth arbeitet seit 1990 an der Frankfurter Wertpapierbörse und ist seit 1996 bei der Close Brothers Seydler Bank AG.
(Für den Inhalt der Kolumne ist allein Deutsche Börse AG verantwortlich. Die Beiträge sind keine Aufforderung zum Kauf und Verkauf von Wertpapieren oder anderen Vermögenswerten.)
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