In der schwarz-gelben Koalition wird der Streit über den deutschen Kurs bei der Euro-Rettung mit immer härteren Bandagen ausgetragen. Zur Abwehr weiterer milliardenschwerer Hilfszusagen wollen Kritiker aus der FDP jetzt mit einem Mitgliederentscheid die Basis mobilisieren. In der CSU wächst der Unmut über schleppende Reformbemühungen in Griechenland, die Partei will in der sich zuspitzenden Verschuldungskrise auch den Ausstieg von Staaten aus der Euro-Zone nicht mehr ausschließen.
Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) und sein FDP-Kollege Rainer Brüderle bekräftigten die Erwartung, dass die Koalition bei der Bundestagsabstimmung über den erweiterten Euro-Rettungsschirm Ende September eine eigene Mehrheit erreicht. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) vermied jedoch eine ausdrückliche Festlegung auf die symbolisch wichtige Kanzlermehrheit.
In der FDP hat eine Gruppe um den Bundestagsabgeordneten Frank Schäffler und den Altliberalen Burkhard Hirsch einen Vorstoß für einen Mitgliederentscheid gestartet. "Unbefristete Rettungsmaßnahmen, bei denen Deutschland für Schulden anderer europäischer Staaten haftet, kommen für die FDP nicht infrage", heißt es im vorgesehenen Abstimmungstext. Ausweitungen und Verlängerungen der Rettungsschirme, gemeinsame Anleihen der Euro-Länder (Eurobonds) und auch der geplante dauerhafte Stabilitätsmechanismus (ESM) seien abzulehnen.
"Was hier stattfindet, ist ja ein fortgesetzter Rechtsbruch in Europa", sagte Schäffler am Samstag der Nachrichtenagentur dpa. Nach seinem Eindruck herrsche bei Mitgliedern "ein anderes Verständnis, wie es in Europa weitergehen soll", als bei der Führung. Er zeigte sich "sehr optimistisch", dass eine Basisabstimmung zustande kommt.
Laut FDP-Satzung sind für den Start eines Entscheids fünf Prozent der Mitglieder erforderlich. Beteiligen sich mindestens ein Drittel der Mitglieder, entspricht das Ergebnis einem Parteitagsbeschluss.
Die Parteispitze reagierte gelassen auf die Ankündigung. Die Bundesgeschäftsstelle würde einen Entscheid "selbstverständlich organisatorisch konstruktiv begleiten, wenn die Voraussetzungen unserer Satzung erfüllt sind", erklärte Generalsekretär Christian Lindner. "Das ist gegenwärtig nicht abzusehen".
Bundestag und Bundesrat sollen bis Ende September über einen Gesetzentwurf der Koalition für eine Erweiterung des Rettungsschirms EFSF abstimmen. Kanzlerin Merkel legte sich dabei nicht klar auf eine Kanzlermehrheit fest. Auf die Frage, ob sie darauf bei der Abstimmung am 29. September setze, um die Handlungsfähigkeit der Koalition unter Beweis zu stellen, sagte Merkel dem "Tagesspiegel am Sonntag": "Ich bin, wie schon oft gesagt, zuversichtlich, die Fraktionen von Union und FDP von der Haltung der Bundesregierung zu überzeugen."
Damit blieb sie hinter Ankündigungen anderer Koalitionspolitiker zurück. Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hatte kürzlich gesagt, er gehe davon aus, dass die Ausweitung des Rettungsschirms mit Kanzlermehrheit beschlossen werde. Ähnlich hatte sich auch CSU-Chef Horst Seehofer geäußert. Die Kanzlermehrheit liegt bei 311 Stimmen. Dafür benötigt Schwarz-Gelb 50 Prozent plus eine Stimme aller Bundestagsmitglieder. Bei Probeabstimmungen in den Fraktionen war dies kürzlich verfehlt worden. Für das Gesetz zur Ausweitung des Rettungsschirmes reicht aber eine einfache Mehrheit.
SPD-Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann kritisierte, Merkel bereite sich mit ihren Äußerungen auf eine Niederlage vor. Wenn Schwarz-Gelb die Kanzlermehrheit bei der Euro-Abstimmung nicht erreiche, sei die Regierungschefin politisch gescheitert. "Merkel kann dann nicht mehr Kanzlerin bleiben."
Unionsfraktionschef Kauder sagte der "Passauer Neuen Presse" (Samstag): "Gesetze werden im Bundestag mit einfacher Mehrheit beschlossen. Das gilt auch in diesem Fall". Zugleich betonte er: "Wir werden aber eine Mehrheit erreichen, die zeigt, dass diese Koalition geschlossen und handlungsfähig ist." FDP-Fraktionschef Brüderle sagte der Rheinischen Post (Samstag): "Die Koalition wird mit eigener Mehrheit die notwendigen Maßnahmen beschließen."
CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt forderte Griechenland zu weiteren Reformen auf. Unterstützung könne es nur geben, "wenn dort radikale Spar- und Konsolidierungsprogramme durchgezogen werden", sagte er "Spiegel Online". In einem Papier, das die Parteispitze am Montag in München beschließen will, pocht die CSU auf Einhaltung der Stabilitätskriterien, lehnt eine Vergemeinschaftung der Schulden durch sogenannte Euro-Bonds strikt ab und fordert die konsequente Durchsetzung der Schuldenbremse in allen Euro-Ländern. Überschuldete Staaten müssten damit rechnen, die Währungsunion verlassen zu müssen.
Auch Bayerns Wirtschaftsminister Martin Zeil (FDP) forderte als letztes Mittel für unsanierbare Staaten ein Verfahren für den Euro-Austritt. Nötig sei die Option, "dass am Ende auch ein geregeltes Ausscheiden aus dem Währungsverbund möglich ist, wenn alle Sanierungsanstrengungen vorher ins Leere laufen", sagte er der dpa./DP/zb
AXC0038 2011-09-10/20:14