Nach dem Rücktritt von Ministerpräsident Silvio Berlusconi soll der frühere EU-Kommissar Mario Monti das hoch verschuldete Italien aus der Krise führen. Staatspräsident Giorgio Napolitano beauftragte den 68-jährigen Wirtschaftsfachmann am Sonntagabend mit der Regierungsbildung. Monti nahm die Aufgabe "unter Vorbehalt" an.
Notwendig seien Konsultationen, die er schnell, aber sorgfältig ausführen wolle. "Ich werde zum Präsidenten zurückkehren, sobald ich in der Lage bin, diesen Vorbehalt aufzulösen", sagte Monti. Italien müsse in Europa ein Element der Stärke und nicht der Schwäche sein. Das Land werde in einer gemeinsamen Anstrengung aus der Notlage herausfinden.
EU: ÜBERWACHUNG ITALIENS BLEIBT
Die Europäische Union machte noch am Abend deutlich, dass die Ernennung Montis nichts an der vereinbarten wirtschaftspolitischen Überwachung Italiens durch die EU ändern werde. Sollte Monti Chef einer Notregierung werden, erwartet ihn eine schwierige Aufgabe: Italien weist nach Griechenland den höchsten Schuldenstand gemessen an der Wirtschaftsleistung innerhalb der Eurozone auf.
Staatspräsident Napolitano rief im Interesse des Landes zu einer Regierung auf, die breite Unterstützung finden müsse. In diesen Zeiten der Krise gelte es, sofortige Neuwahlen zu vermeiden. Napolitano hatte nach dem Rückzug Berlusconis ganztägig Gespräche über dessen Nachfolge geführt.
Die EU begrüßte die Nominierung Montis. Dies sei nach der Verabschiedung der Spargesetze in Italien ein weiteres ermutigendes Signal zur Krisenüberwindung, teilten EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy und EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso in Brüssel mit.
MERKEL HOFFT AUF STABILISIERENDEN EFFEKT
Bundeskanzlerin Angela Merkel erhofft sich von einer raschen Neuordnung in Rom einen stabilisierenden Effekt auf die Eurozone. "Ich denke, dass wir in den nächsten Tagen eine Regierungsbildung haben werden", sagte sie am Sonntag in Leipzig.
Berlusconi war am Samstagabend wie angekündigt zurückgetreten, nachdem das Abgeordnetenhaus ein von der EU verlangtes Sparpaket gebilligt hatte. Aus der Politik verabschieden will er sich aber nicht. Der Chef seiner Partei Volk der Freiheit (PdL), Angelino Alfano, meinte, Berlusconi werde wohl den PdL-Vorsitz übernehmen. Er werde mit doppelter Kraft politisch im Parlament weitermachen, kündigte Berlusconi am Abend in einer TV-Botschaft an.
Als letzter Akt der Regierung Berlusconi war am Samstag ein Gesetzespaket gegen die Schuldenkrise verabschiedet worden. Vorgesehen sind Steuererleichterungen zur Förderung des Wachstums, der Verkauf von Staatseigentum zum Abbau der Schulden und eine Anhebung des Rentenalters auf 67 bis 2026. Bundesaußenminister Guido Westerwelle begrüßte die Maßnahmen als "wichtigen Beitrag auch zur derzeitigen Stabilisierung in Europa".
NÄCHTLICHES FREUDENFEST
Nach dem Abgang Berlusconis feierten dessen Gegner ein nächtliches Freudenfest. Stundenlang wurden in Rom Fahnen geschwenkt, Autohupen waren zu hören. Beobachter meinten, so sei bisher nur gefeiert worden, wenn Italien den Weltmeistertitel im Fußball geholt hatte.
Vor dem Präsidentenpalast Quirinale, den Berlusconi nach seinem Rücktritt durch die Hintertür verließ, feierten hunderte Italiener auch aus anderen Landesteilen - über SMS und Facebook mobilisiert, wie italienische Medien berichteten. Zur italienischen Nationalhymne und Georg Friedrich Händels "Halleluja" begingen sie den "12. November - Tag der Befreiung". Sprechchöre skandierten "Raus mit der Mafia aus dem Staat" und auch "Hanswurst, geh nach Hause".
BERLUSCONIS RÜCKTRITT ALS ENDE EINER EPOCHE GEWERTET
Berlusconis Rücktritt wird in Italien als Ende einer Epoche gewertet: 17 Jahre lang prägte der "Cavaliere" politisch das Geschehen in seinem Land. "Heute ist der Tag der Befreiung Italiens", meinte der Chef der größten Oppositionspartei PD (Demokratische Partei), Pierluigi Bersani, zu dem Rücktritt, den die Gegner seit langem von dem umstrittenen Berlusconi verlangt hatten.
Registriert wurde der Rücktritt auch in China: Er "beendet eine Ära in Italien, die von Skandalen geprägt war", schrieb die amtliche chinesische Nachrichtenagentur Xinhua. Der russische Regierungschef Wladimir Putin hatte seinen Freund Berlusconi bereits am Freitag als "letzten Mohikaner der europäischen Politik" bezeichnet. Berlusconi sei trotz seiner "skandalösen Frauengeschichten" mit seinem langem Verbleib an der Macht ein "Segen für das italienische Volk" gewesen./ka/krl/DP/stk
AXC0037 2011-11-13/21:58