Der Streit zwischen Gebern und Nehmern im Länderfinanzausgleich spitzt sich weiter zu. Nordrhein-Westfalens Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) hat Bayern für den Fall einer Klage vor dem Bundesverfassungsgericht mit der Aufkündigung aller Ausgleichsvereinbarungen der Länder gedroht. Dann würden etwa der Mehrwertsteuerausgleich zwischen den Bundesländern und die gemeinsame Forschungsförderung nicht länger gelten.
Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) appellierte an seine Länderkollegen, sich einer gemeinsamen Lösung nicht zu verschließen, und bot eine Vermittlerrolle an. CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt lehnte dieses Angebot umgehend ab. "Wir haben klare Forderungen, die wir gegenüber den Nehmerländern offensiv vertreten werden", sagte er dem "Münchner Merkur" (Montag).
Die unionsregierten Geberländer Bayern und Hessen wollen ihre Zahlungen deckeln. Sie erwägen eine neue Klage vor dem Bundesverfassungsgericht, sollten Änderungen auf dem Verhandlungsweg in diesem Jahr scheitern. Für diese Haltung haben sie sich den Unmut auch unionsregierter Bundesländer zugezogen.
Regierungschef Kretschmann kündigte in den "Stuttgarter Nachrichten" (Montag) an, das Thema auf die nächste Sitzung der Ministerpräsidentenkonferenz im März setzen zu wollen. Baden-Württemberg zahlt derzeit wie Hessen jährlich rund 1,7 Milliarden in den Länderfinanzausgleich. Angesichts der Tatsache, dass die aktuelle Vereinbarung noch bis 2019 gelte, müsse man jetzt in gemeinsamen Verhandlungen nach einer neuen Lösung suchen, sagte der Grünen-Politiker. "Baden-Württemberg kann eine Art Brückenfunktion übernehmen." Es sei sein Ziel, "dass wir die Reform in den nächsten drei Jahren hinbekommen und damit deutlich vor dem Jahr 2019". Eine Klage vor dem Bundesverfassungsgericht ist aus Kretschmanns Sicht "nur das letzte Mittel".
Kraft sagte der "Bild am Sonntag": "Wenn Bayern den Länderfinanzausgleich aufkündigt, dann liegen automatisch auch alle anderen Ausgleichssysteme unter den Bundesländern auf dem Tisch. Kollege (Horst) Seehofer würde mit einer Klage viel riskieren." Kraft pochte darauf, dass der geltende Länderfinanzausgleich eingehalten werden müsse. Nordrhein-Westfalen habe 30 Jahre lang "ohne Klagen unter anderem auch für den Aufbau Bayerns gezahlt, war aber bisher nur in drei Jahren Empfängerland".
CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt warf Kraft einen "plumpen Erpressungsversuch" vor. "Frau Kraft klammert sich verzweifelt an den Länderfinanzausgleich, weil ihr Land in den eigenen Schulden absäuft. Statt immer nur auf die Millionen aus Bayern zu schielen sollte Frau Kraft endlich ihren NRW-Haushalt sanieren", erklärte er.
Bayern zahlte 2011 mit rund 3,66 Milliarden Euro die Hälfte der bundesweit umverteilten Mittel von insgesamt 7,308 Milliarden Euro. Viertes Geberland neben Hessen und Baden-Württemberg ist Hamburg mit rund 62 Millionen Euro. Nordrhein-Westfalen bekam im vergangenen Jahr 224 Millionen Euro aus dem Finanzausgleich. Größter Nutznießer war Berlin, das mehr als 3 Milliarden Euro erhielt./ol/DP/zb
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