Karlsruhe (ots) - Auch der elfte Bundespräsident wird aus dem Feld des Staatsoberhauptes keine Magierbühne machen. Er wird sich nicht mit der Bundeskanzlerin im Wettstreit üben, wer für das Konzept Deutschland den besseren Stab schwingt. Die fast schwärmerische Erwartung, die Joachim Gauck schon vor dem überzeugenden, angesichts breiter Stärkung in der Bundesversammlung aber nicht unbedingt spektakulären Wahlergebnis entgegengebracht wurde, ist dem Wunsch-Präsidenten selbst nicht recht. Gauck steht fortan unter dem Druck, die gleißende Überhöhung einer staatsmännischen Funktion, die allzu oft aus protokollarischen Pflichten und eng genormten Ausübungen besteht, auf ein gesundes Maß zurückzuführen. Und dabei trotzdem durch und durch authentisch zu bleiben. Dieser Spagat ist ihm zuzutrauen: Würdenträger in der Form und mitreißender Redner in der Sache zu sein. Exzellenz im Repräsentieren zu zeigen und dort, wo es gilt, wider den Stachel zu löcken, kantig, unbequem und mahnend zu agieren. Wie Weizsäcker ist er ein Mann der harten Schmiede. Von einem Schicksal gestählt, das jedes Wort zur Lebensschule aufs goldene Papier legt. Der schon als Pastor klug und verantwortungsvoll sprechende DDR-Kritiker, der Mutmacher des Wendeherbstes, der große Aufklärer des ostdeutschen Unrechtsstaates, ist eine Instanz der Glaubwürdigkeit. Und gerade jetzt für Deutschland wichtig: Inmitten einer Krise, die das höchste Amt im Staat schon lange überschattet. Mit mehr Hoffnungen ist der Name Gauck nicht zu überfrachten. Aus dem Schloss Bellevue muss kein Schloss Gauck werden, aus dem höchsten Deutschen kein Drewermann der Republik. Theologisch-psychologischer Duktus allein könnte sich in einem Amt verbrauchen, das stets mit dem grobkörnigen Schleifpapier Parteipolitik in Berührung kommt. Gaucks Überzeugungen sind aber ein bedeutendes Potenzial, seine über den Parteien schwebenden Sichtweisen ein Erfolgs-Garant, um zu bestehen. Dass er ein Präsident ist, den die Kanzlerin erst auf den dritten Blick so langsam liebgewinnt, muss ihm genauso wenig schaden wie eventuell enttäuschte Liebe auf den ersten Blick. Gaucks Freiheitsideal, Gaucks Kampf gegen modische Zeitströmungen und politische Ermüdungen, Gaucks entschiedenes Credo an die bürgerliche Verantwortung sind nämlich nicht die kurzbeinigen konservativen Pfeiler, die schon wieder ein Teil derer zu sehen glaubt, die ihn links von Union und FDP unterstützen. Es sind fundamentale und hochaktuelle Positionen. In einem unfreien Land gibt es keine Sozialdebatten, keine Kritik an Banken und Wirtschaftsübermacht, keine Wahlen, die saturierte Politiker aus dem Amt werfen. Freiheit, Verantwortung, Soziales und Gerechtigkeit bilden ein Viergestirn, ohne das Demokratie nicht möglich ist. Lassen wir diesem Bundespräsidenten also die Zeit, seine Gewichtungen sorgfältig zu wählen. Schon in seiner Freitags-Rede wird er in seiner Mission als Bürger-Präsident präzisieren, wie er sich die deutsche Gesellschaft - auch in der Integrationsfrage - vorstellt. Der Wunsch-Präsident: Lassen wir ihm auch die Zeit, das Amt wieder mit Würde auszustatten, es mit Instinkt, Ruhe und Souveränität zu führen. Oberhäupter, die sich aus Verflechtungen fernhalten, die das hohe Gut der Nichteinmischung und Zurückhaltung pflegen, die Kritik ertragen, die einen und nicht spalten, haben die besten Chancen, dem demokratischen Auftrag gerecht zu werden, den Bundestagspräsident Lammert am gestrigen geschichtsträchtigen 18. März in Erinnerung rief: Ein erster Mann für fünf Jahre zu sein. Und noch ein guter.
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Pressekontakt: Badische Neueste Nachrichten Klaus Gaßner Telefon: +49 (0721) 789-0 redaktion.leitung@bnn.de
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