Karlsruhe (ots) - Es sind die kräftigen Akzente einer bewegten Nachkriegs-Geschichte, die im Europa von heute weiterleben: Die deutsch-französische Freundschaft mit den Baumeistern Schuman, de Gaulle und Adenauer. Die Verdun-Geste von Mitterrand und Kohl. Kennedys Berlin-Bekenntnis und Reagens "Tear down this wall": Historische Momente, ohne die der Wende-Jubel in der deutschen Botschaft in Prag, die Wiedervereinigung Deutschlands und damit auch die spätere EU-Osterweiterung nicht vorstellbar wären. Zweifellos hat die große Idee, die Europäische Union, das gemeinsame Haus der demokratischen Völker im Abendland, zu diesem einzigartigen friedensstiftenden Werk den Boden bereitet. Der Friedensnobelpreis für die EU ist sachlich wohlbegründet. Wenn er auch - mehr als ein halbes Jahrhundert nach den römischen Verträgen - reichlich spät kommt. Zu spät kommt er jedenfalls nicht. Die Bilder der Woche aus Griechenland dokumentieren in erschreckender Schärfe, wie rasch Vernunft, Verhältnismäßigkeit und ein abwägendes Urteil in der hitzigen Euro-Krise verloren gehen. Demonstranten in SS-Uniformen, Protestaufmärsche mit Hakenkreuzen gegen eine deutsche Kanzlerin, die über ihren Schatten springt und den Hellenen Mut zuspricht. So verzerrt können die Sichtweisen in einem Europa sein, in dem der Kampf um den Mammon an die Stelle todbringender Kriege getreten ist. Nazi-Deutschland - so urteilen nur Hitzköpfe über ein politisch wie wirtschaftlich wohlbestalltes Land im Herzen Europas, wenn es gilt, neben den Segnungen des Euro, den Rettungsschirmen und Bankenhilfen durchgreifende Reformen im eigenen Land mitzugestalten und mitzutragen. Die Botschaft aus Oslo kommt da gerade recht: Krisenstimmung und Eifersüchteleien in der Schuldenkrise dürfen keinen Spaltpilz in eine Wertegemeinschaft bringen, die sich den Zielen der Integration, der Völkerverständigung und des Zusammenhalts verschrieben hat. Europa wird immer mit einem Wirtschaftsgefälle leben müssen. Für Völker-Aggressionen aber darf es nie mehr einen Nährboden geben. Dieses Signal ist stärker als alle Kritik, die aus den Kreisen der EU-Skeptiker ans norwegische Komitee dringt. Denn nicht ein Europa der Eurokraten und des Regel-Dickichts ist am Freitag ausgezeichnet worden, sondern ein im erfrischendsten Sinne politisches, weil menschenverbindendes Europa. Mit jedem Friedensnobelpreis verbinden sich Wünsche. Und gerade hierin liegt die Gefahr ihres Bedeutungsverbrauchs - durch die hemmende Kraft des Faktischen. Bis zu den Vereinigten Staaten von Europa oder einem Bundesstaat, den der Wähler maßgeblich prägt, ist es noch ein weiter Weg. Die EU-Erweiterung ist ein Buch mit offenem Ausgang. Zur Beitrittsreife Kroatiens gibt es schon heute Kontroversen. Realistisch ist, dass die nationalen Egoismen noch lange den europäischen Prozess bestimmen werden. Da auch die Währungsunion ein System unter Erfolgsdruck ist, verschlechtert das die Chancen eines einigenden Nobelpreises mit Langzeitwirkung. Augenblicklich thront er noch wie eine Oase inmitten der grauen EU-Krisenwüste. Schon beim EU-Gipfel in dieser Woche wird es wieder ans Eingemachte gehen: Deutschland, die Niederlande und Finnland werden ihre Interpretationen zu dem offerieren, was Italien und Spanien beim vorigen Gipfel als "Durchbruch" in Sachen Banken-Direkthilfe feierten. Europa und der Euro bleiben Schauplätze des politischen Kampfes. Umso wichtiger ist es, Europa immer wieder als großes Brückenwerk der Menschen zu verstehen. Wenn es am 10. Dezember zur Friedensnobelpreis-Verleihung in Oslo kommt, sollten nicht Repräsentanten der EU-Organe, sondern ausgewählte Bürger der 27 Staaten die Empfänger sein. Vor allem sie sind Europa.
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Pressekontakt: Badische Neueste Nachrichten Klaus Gaßner Telefon: +49 (0721) 789-0 redaktion.leitung@bnn.de
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