Von Herbert Rude
Die europäischen Aktienmärkte haben ihre Talfahrt mit einer Rally im späten Geschäft zumindest erst einmal beendet. Damit trotzten sie den Belastungsfaktoren wie der Fiskalklippe in den USA, der drohenden Staatspleite Griechenlands und der Konjunkturmisere in Europa. Der Euro-Stoxx-50 gewann schließlich einen Punkt auf 2.480 Punkte, nachdem er lange Zeit deutlich im Minus gehandelt hatte. Der DAX gab zwar um 0,6 Prozent oder 42 auf 7.163 Punkte nach. Damit ging er aber fast 100 Punkte über dem Tagestief von 7.064 Punkten aus der Sitzung.
Ausgegangen ist die Erholung vom Terminmarkt. Dort stellten Anleger solche Positionen glatt, mit denen sie zuvor auf fallende Kurse gesetzt hatten. Die daraus entstandenen terminmarktorientierten Käufe führten später zu Käufen weiterer Anleger wie Kapitalanlagegesellschaften. Für zusätzlichen Schub sorgten gute Daten vom Michigan-Index für das US-Verbrauchervertrauen.
Zuversichtlich äußerte sich Henning Gebhardt, Leiter für europäische Aktien bei der Fondsgesellschaft DWS. Gebhardt hält es für möglich, dass der DAX auf 10.000 Punkte steigt. "Die bisherigen Höchststände werden relativ schnell genommen, da bin ich optimistisch", sagte der Fondsmanager. Denn Aktien seien billig und verglichen mit Anleihen attraktiv. Außerdem könnte sich die Konjunktur im kommenden Jahr deutlich besser entwickeln als erwartet.
Allerdings gibt es auch warnende Stimmen: Zwar seien viele Anleger in Aktien unterinvestiert, sagte Christoph Braun, Fondsmanager bei Lupus Alpha, auf einer Veranstaltung der Fondsgesellschaft. Die neuen Kapitalanforderungen dürften stärkere Käufe von Banken oder Versicherungen aber verhindern. Auch die Privatanleger fallen für Braun als potenzielle Käufer erst einmal aus. "Ihre Einstellung ist geprägt von den vielen Krisen der vergangenen Jahre", sagte der Fondsmanager.
Finanztitel unter Druck
Bis zum Nachmittag hatten vor allem schwache Zahlen der französischen Industrie die Stimmung belastet. Sie nährten die Furcht, die Rezession fresse sich aus den Mittelmeerländern nach Kerneuropa hinein. "Die Zahlen zur französischen Industrieproduktion zeigen, dass die Aktivität in allen wichtigen Sektoren zurückgegangen ist", stellte Annalisa Piazza von Newedge fest. Die Industrieproduktion ist im September um 2,7 Prozent geschrumpft und damit fast doppelt so stark wie erwartet. "Wir gehen davon aus, dass sich das Sentiment in Europa wieder verschlechtert", sagte Jan Bottermann von der Essener National-Bank. Der Euro fällt auf 1,2715 Dollar. Am Morgen hatte er sich noch auf knapp 1,28 Dollar erholt. Auch zum Yen und Pfund Sterling neigt der Euro wieder zur Schwäche.
Stabilisiert wurde der Markt vor allem von den vergleichsweise konjunkturunabängigen Titeln der Pharma- und der Nahrungsmittelbranche. Der Index der Pharma-Aktien führte mit einem Plus von 0,9 Prozent die Gewinnerseite unter den Branchenindizes an. In Mailand stiegen die Papiere von Telecom Italia um 3,7 Prozent. Der Gewinn des Unternehmens hat im dritten Quartal mit 681 Millionen Euro die Konsensprognose von Analysten um 21 Millionen Euro übertroffen.
Auf der anderen Seite standen Finanztitel unter Druck: Der Index der Bankaktien fiel um 1,2 Prozent, der Index der Versicherer um 1,1 Prozent. Belastet wurde die Stimmung unter anderem von einem Gewinneinbruch der Credit Agricole, deren Aktien 5,8 Prozent verloren. "Besonders schlimm ist, dass Credit Agricole wegen ihrer Griechenlandabschreibung so ins Minus gerutscht ist", meint ein Händler. Das zeige, wie sehr die Krise bis auf die Unternehmensebene durchschlage. Zur nächsten Hilfs-Tranche für das Land gibt es weiter keine Entscheidung, ein weiterer Schuldenschnitt ist wahrscheinlich und dürfte den Bankensektor hart treffen. Die Titel der Commerzbank gaben nach den schwachen Zahlen vom Vortag weitere 6,3 Prozent ab. Die Papiere der Deutschen Bank büßten 2,3 Prozent ein.
Die Aktien der Allianz gaben um 0,8 Prozent nach. Die Münchener haben den Gewinn aus der Verwaltung der Anlagen im dritten Quartal um mehr als 40 Prozent gesteigert. Insgesamt verwalten sie mittlerweile 1,8 Billionen Euro. Das Zahlenwerk der Allianz sei positiv ausgefallen, aber "praktisch überraschungsfrei", heißt es in einem Kommentar der LBBW.
In der zweiten Reihe des deutschen Markts fiel der Kurs von Rheinmetall um 5,7 Prozent auf 32,84 Euro. Der Automobilzulieferer und Rüstungskonzern hat vor schwächeren Umsätzen und Gewinnen gewarnt. Im TecDAX sackten die Aktien von Euromicron um 10 Prozent ab, der operative Gewinn ist im dritten Quartal um fast ein Fünftel zurückgegangen.
=== Europäische Schlussbörsen vom Freitag, 9. November . . Index Schluss- Entwicklung Entwicklung Entwicklung . stand absolut in % seit . Jahresbeginn Europa Euro-Stoxx-50 2479,82 0,69 +0,0% 7,0 . Stoxx-50 2521,70 -3,50 -0,1% 6,4 . Stoxx-600 270,27 -0,31 -0,1% 10,5 Frankfurt XETRA-DAX 7163,50 -41,46 -0,6% 21,4 London FTSE-100 5769,68 -6,37 -0,1% 3,6 Paris CAC-40 3423,57 15,89 +0,5% 8,3 Amsterdam AEX 331,93 -0,49 -0,2% 6,2 Athen ATHEX-20 292,34 4,59 +1,6% 10,4 Brüssel BEL-20 2356,63 -3,05 -0,1% 13,1 Budapest BUX 19049,57 -23,68 -0,1% 12,2 Helsinki OMXH-25 2049,65 -6,84 -0,3% 5,5 Istanbul ISE NAT. 30 89501,78 -1157,88 -1,3% 45,1 Kopenhagen OMXC-20 489,75 16,06 +3,4% 25,6 Lissabon PSI 20 5324,13 -16,77 -0,3% -3,4 Madrid IBEX-35 7624,10 12,50 +0,2% -10,9 Mailand FTSE-MIB 15181,00 -13,08 -0,1% 0,6 Moskau RTS 1400,86 -11,52 -0,8% 1,4 Oslo OBX 404,98 -0,92 -0,2% 13,2 Prag PX 979,82 -5,58 -0,6% 7,5 Stockholm OMXS-30 1052,15 -3,37 -0,3% 6,5 Warschau WIG-20 2323,97 -14,09 -0,6% 8,4 Wien ATX 2183,26 8,06 +0,4% 15,4 Zürich SMI 6715,20 1,58 +0,0% 13,1 DEVISEN zuletzt '+/- % Fr, 8.39 Uhr Do, 17.47 Uhr EUR/USD 1,2720 -0,36% 1,2766 1,2745 EUR/JPY 101,1049 -0,42% 101,5300 101,6191 EUR/CHF 1,2058 0,00% 1,2058 1,2057 USD/JPY 79,4915 -0,05% 79,5320 79,7400 GBP/USD 1,5916 -0,50% 1,5996 1,5983 === DJG/hru/raz
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November 09, 2012 12:24 ET (17:24 GMT)
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