
Durch die Krim-Krise und die Konsolidierung im DAX ist das Bedürfnis nach Sicherheit wieder gewachsen. Das wird insbesondere mit einem Blick auf den Bund-Future deutlich. Dieser unlängst ein neues Allzeithoch ausgebildet, auch wenn man diesen Ausbruch über das alte Hoch noch nicht als nachhaltig bezeichnen kann.
Der Bund-Future stellt eine fiktive Schuldverschreibung der Bundesrepublik Deutschland mit einem Kupon von 6 Prozent und einer Laufzeit von 10 Jahren dar. Vereinfacht gesagt, gibt ein Anstieg des Bund-Futures zwei unterschiedliche Signale, die je nach Marktlage mehr oder weniger relevant sind. Wenn der Bund-Future steigt, werden zum einen niedrigere Zinsen erwartet. Zum anderen kann ein solcher Anstieg eine höhere Nachfrage nach "sicheren" Anleihen bedeuten, signalisiert also ein erhöhtes Absicherungsbedürfnis der Anleger.
Normalerweise sollte bei steigendem DAX der Bund-Future sinken. Die Aktien steigen im Prinzip, wenn in absehbarer Zeit ein wirtschaftlicher Aufschwung erwartet wird. Dieser führt aber in der Perspektive zu eher steigenden Zinsen, also einem fallenden Bund-Future. Doch stattdessen steigt zurzeit der Bund-Future trotz Rally im DAX auf ein neues Hoch. Aber ganz so einfach ist es auch nicht. Beim Wechselspiel zwischen Bund-Future und DAX können direkt mehrere Phasen unterschieden werden:
Die verschiedenen Boom- und Crash-Phasen
Dazu zunächst ein Chart, der die Korrelation zwischen DAX und Bund-Future seit 1999 zeigt:
Die verschiedenen Phasen habe ich zur besseren Verdeutlichung farbig markiert:
Der Aktienmarkt steigt, der Bund-Future fällt
Ein stark steigender Aktienmarkt weist auf eine sehr positive wirtschaftliche Entwicklung hin. Es ist damit zu rechnen, dass in einer solchen Phase die Zinsen steigen, allein schon, um eine Inflation zu verhindern (z.B. durch eine Lohn-Preis-Spirale). In dieser Phase steigt also der DAX und der Bund-Future fällt, da die Zinsen steigen (grüner Bereich im Chart).
Der Aktienmarkt bricht ein, der Bund-Future steigt
Dann kommt es irgendwann zu einem starken Kursrückgang bei den Aktien, der eine schwache wirtschaftliche Entwicklung vorwegnimmt. Auf diese reagiert in der Regel die Notenbank mit sinkenden Zinsen. Gleichzeitig werden die Anleger Sicherheit suchen und wechseln vom Aktien- in den Anleihemarkt. Bei sinkenden Zinsen und einer verstärkten Nachfrage nach Anleihen steigt der Bund Future, während der DAX fällt (roter Bereich im Chart).
In diesen beiden Fällen haben wir es mit der typischen gegensätzlichen Bewegung zwischen Bund-Future und DAX zu tun.
Der Aktienmarkt steigt und der Bund-Future steigt
Während der Aktienmarkt schon einen Boden ausbildet, wird sich in der Wirtschaft erst das ganze Ausmaß der Rezession bemerkbar machen. Der Aktienmarkt wird aber in dieser Zeit bereits darauf setzen, dass die Rezession bald vorbei ist - die Kurse ziehen an. Gleichzeitig kämpft die Notenbank mit weiter sinkenden Zinsen gegen die wirtschaftliche Rezession. Die Anleger suchen angesichts der düsteren Zeiten sichere Anlagen. Das führt dazu, dass die Zinsen weiter sinken, der Bund-Future also steigt. Kurz: Diese Phase ist die einzige, in der sowohl der DAX als auch der Bund-Future ansteigen (blauer Bereich im Chart).
Aktienmarkt steigt, Bund-Future fällt
Und damit sind wir wieder bei der ersten Phase, in der der Aktienmarkt weiter (sogar meist sehr dynamisch) steigt, während die Zinsen bereits wieder anziehen. Der Bund-Future fällt also, während der DAX (noch) weiter steigt. In dieser Phase kommt es bei den ersten Anzeichen von Problemen wieder zu Umschichtungen vom Aktien- in den Anleihemarkt, die dazu führen, dass sich die Gegenläufigkeit beider Kurse - unter Umständen bis zu einem Aktiencrash - noch verstärkt (gelber Bereich im Chart).
Wichtig ist, dass der DAX erst in dieser Phase sein Hoch erreicht, also nachdem der Bund-Future schon geraume Zeit Schwäche zeigte!
Und so geht das Spiel immer weiter. Das Schöne dabei ist, dass Sie als Anleger immer mal wieder überprüfen können, in welcher Phase sich die Märkte befinden. Das wollen wir für die aktuelle Situation einfach mal tun.
Wo befinden wir uns gerade?
Wie Sie im Chart sehen, laufen DAX und Bund-Future seit 2009 weitgehend parallel. Wie eingangs erwähnt, erreichte der Bund-Future kürzlich sogar ein neues Hoch. Demnach befinden wir uns also in der zweiten (blauen Phase).
Von einer Schwäche des Bund-Futures ist damit weit und breit nichts zu sehen. Damit sollte also auch der DAX noch nicht an seinem Hoch der laufenden Rally angelangt sein! Im Gegenteil: Es müsste eigentlich erst noch eine Phase folgen, in der der DAX sehr dynamisch ansteigt und gleichzeitig der Bund-Future deutlich zurückkommt (die Zinsen also steigen). Erst das wäre, zumindest aus Sicht der Analyse DAX/Bund-Future-Korrelation ein erster und konkreter Warnhinweis.
Demnach wäre noch viel Platz nach oben für den DAX - zumindest dann, wenn diese letzte Phase auch dieses Mal voll ausgebildet wird.
Der Nachteil: das Timing
Der Nachteil dieses Prognosemittels ist allerdings, dass es einer ziemlich starken zeitlichen Verzerrung unterliegt. Eigentlich weiß man erst, wenn es schon sehr deutlich geworden ist, in welcher Phase man sich wirklich befindet. Der einzige Wert liegt also darin, wie in diesem Fall, festzustellen, dass wir uns noch nicht in dieser letzten Phase einer Aktienmarktrally befinden. Und dass somit noch großes Aufwärtspotenzial besteht.
Viele Grüße
Ihr
Jochen Steffens