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Vieles am deutschen Schulsystem, bzw. an den 16 deutschen Bundesländer-Schulsystemen, ist kritikwürdig. Und dazu zählt unbedingt die Sprachförderung für Ausländer. Denn wenn ausländische Kinder die Sprache nicht schnell und richtig lernen, haben sie in ihrer Schulkarriere erhebliche Nachteile - ein veritables Problem im Schulwesen hierzulande, das wurde auch in den Pisa-Studien belegt. Aber es gibt Ausnahmen. Kinder aus Mexiko, Bulgarien und Frankreich können binnen drei bis vier Jahren perfekt Deutsch lernen, gleichzeitig den Stoff des gymnasialen Lehrplans bewältigen und noch Spaß an der Schule haben sowie ein erstklassiges Abitur machen. Es funktioniert in einem Dorf im Chiemgau, am staatlich anerkannten privaten Gymnasium und Internat Schloss Neubeuern.
Drei Jungs und eine Lehrerin parlieren im Erdgeschoss des Castellos, wie dieser Unterrichtsbau auf dem grünen Campus genannt wird. Draußen steigt der Nebel die Hänge des Schlossbergs empor, die Kastanien vor dem durchgehenden Fensterband des Raumes tragen gelb. An der Wand hängen Regeltafeln, die jahrelang geübt werden, z.B. Stammformen, reflexive Verben, Personalpronomina, Wechselpräpositionen und unregelmäßige Verben. "Xavier, worauf achtest Du bei einem Mädchen?" fragt Barbara Steils, die Lehrerin. Seit neun Jahren unterrichtet die 49-Jährige in Neubeuern Deutsch als Fremdsprache, vorher hat sie in Spanien fürs Goethe-Institut gearbeitet. Xavier, 13, aus Mexiko, antwortet: "Ich achte auf ihre Intelligenz. Stimmt das?" - "Was meinst Du, Jeremy?" Jeremy und Alexander, ebenfalls 13, aus Bulgarien und Rumänien, lachen und müssen sich erst wieder beruhigen: "Ich achte auf die Harmonie zwischen Intelligenz und Schönheit. Und auf andere Qualitäten", sagt Jeremy. Jetzt lachen die anderen beiden. "Und nun mit einem Nebensatz", fordert Steils. - "Ich achte darauf, dass sie einen guten Charakter hat." - "Richtig!" Zusammen mit ihrem Kollegen Dominik Schmalkalt betreut Steils 50 Schülerinnen und Schüler, die meisten davon sind schon reguläre Schüler und müssen nicht mehr so intensiv betreut werden.
Sechsmonatiger fröhlicher Crashkurs ohne Schulstress
Wer an diese Schule kommt und kein Deutsch spricht, der wird in einem sechsmonatigen Sprachprogramm der Internationalen Abteilung individuell begleitet. In den ersten Monaten nehmen die internationalen Schüler nur am Sport- und am Kunst-Unterricht teil, manche auch an Musik, ansonsten steht ganztags Deutsch als Fremdsprache auf dem Programm. Alle anderen Fächer müssen warten und werden später individuell vertieft. "Es ist faszinierend: Man kann in sechs Monaten richtig gut Deutsch lernen. Ein Schülervater hat das mal als 'Wunder von Neubeuern' bezeichnet", erzählt Stiftungsvorstand Jörg Müller: "Unsere Schüler sind super motiviert, sie leben in einem rein deutschen Umfeld, und wir vermitteln ihnen in einem fröhlichen Crashkurs ohne Stress die besondere Attraktivität, Vielfältigkeit und Schönheit der deutschen Sprache." Der Mensch lernt nicht gut unter Druck, sondern wenn er motiviert ist, das hat die Hirnforschung längst bewiesen. Zum motivierenden Rahmen zählen in Neubeuern auch viele Ausflüge in Ausstellungen, ins Theater, zu Kunstworkshops und Skifreizeiten. Außerdem diskutieren die Schüler im "Horizonte-Programm" mit den in die Schule eingeladenen Referenten und absolvieren Praktika in sozialen Einrichtungen.
Nach spätestens einem Jahr legen die Schüler aus aller Welt dann eine offizielle Aufnahmeprüfung ab, sie können jetzt dem Unterricht folgen und sprechen die Sprache schon ganz passabel. Mit dem Bestehen der Aufnahmeprüfung sind sie dann als Regelschüler am Gymnasium angenommen. Am Sprachvermögen wird aber auch danach weiter gearbeitet, regelmäßig üben die internationalen Schüler nach dem Unterricht mit ihren Freunden und Lehrern, dann allerdings nicht mehr so intensiv wie im ersten Jahr.
Im Raum nebenan sitzen fünf Kinder aus Russland, China und Spanien vor ihren Laptops und diskutieren über Vergangenheitsformen. Alle wollen unbedingt so schnell wie möglich Deutsch lernen. Sie rätseln gemeinsam: das Präteritum von "anbieten"? "Bot an?"- "Richtig!" Alle tragen sie die Schuluniform Schloss Neubeuerns und sind doch etwas unterschiedlich angezogen: der eine mit dunkelblauem Pullover, der andere mit Strickjacke, der dritte mit Jackett, ebenfalls in Dunkelblau, dazu weiße Hemden und Blusen sowie beige Hosen und Röcke und schwarze Lederschuhe. Am Gymnasium leben und lernen 220 Schüler, darunter 50 internationale Schüler aus 13 Ländern: USA, Russland, China, Thailand, Spanien, Frankreich, Bulgarien, Rumänien, Ukraine, Äthiopien, Thailand, Mexiko und Österreich. Im Unterricht halten die Kinder Referate über die Literatur und die Kunst in ihrem Heimatland. Beim International Weekend der Schule im November präsentieren sie farbenfroh und bewegend ihre Länder vor den Eltern, Lehrern und Gästen. Gerade die internationalen Schüler seien in dieser Atmosphäre leistungsbereit und integrierten sich perfekt, berichtet Müller. Und viele deutsche Schüler dockten sich bei solchen Mehrleistern an und profitierten ebenfalls.
Die Schüler sind verlässlich und achtsam dank des Privilegienmodells
"Alex, wem ähnelst Du?" fragt Steils. "Ich ähne-le mei-nem Vater", antwortet Alex vorsichtig. "Richtig, Dativ-Objekt", lobt Steils: "Xavier, wem vertraust Du?" - "Ich vertraue Alex", sagt Xavier sicher und nimmt einen Schluck aus seiner Wasserflasche. - "Sehr gut: Da haben wir keinen Artikel, aber Xavier ist das Dativobjekt. Die Verben, die im Deutschen ein Dativobjekt benötigen, muss man einfach lernen, es sind nicht so viele."
Eines der Prinzipien der Schloss-Schule lautet: Jeder soll sich einsetzen nach seinen Möglichkeiten. Deshalb gibt es zwei unterschiedliche Bewertungssysteme für die Schüler - die Fachnoten wie in jeder anderen Schule und die Bewertungen im "Privilegienmodell". Dabei werden die Schüler mit allem, was sie tun, von ihrem Umfeld bewertet: z.B. von Lehrern, Mentoren, vom Hausmeister und den Reinigungskräften. Es geht um die Fragen: Was machst Du aus Deinen Begabungen und Besonderheiten? Jeder hat welche, sei es schulisch, sportlich oder sozial. Welche soft skills bringt jemand mit? Wie setzt er sie gewinnbringend ein? Inwieweit engagiert er sich für andere, für die Gemeinschaft? Hier können die Schüler mit den besten Fachnoten die schlechtesten sein - und umgekehrt. Wer innerhalb der fünf Privilegienstufen weit oben steht, kommt in den Genuss von zunehmend mehr Freiheit in der Gestaltung seines Lebens in Schule und Internat. Die 12 besten Schüler in diesem Bereich werden stets in der Schule veröffentlicht.
Keiner der Schüler will unter den letzten sein, alle sind bemüht, in ihrem Umfeld als angenehme, verlässliche und achtsame Menschen wahrgenommen zu werden. Die Bewertung im Privilegienmodell ist vielen Schülern wichtiger als ihre Fachnoten. Weil diese Bewertungen mit Ansehen und Wertschätzung zu tun haben. Wenn also ein Ausländer ein Wort oder eine Formulierung nicht ganz richtig sagt, wird er natürlich von seinen deutschen Freunden korrigiert. Auch das gehört zum individuellen Sprachenlernen.
Attraktiver Unterricht mit I-Pads, Laptops und Lernprogrammen
Damit die Schüler motiviert an ihren Aufgaben arbeiten, dürfen sie I-Pads, Laptops und Lernprogramme nutzen. Das Gymnasium gilt als erste papierlose Schule Deutschlands. Im Sommer vergangenen Jahres haben erstmals in Deutschland 27 Schüler in Neubeuern ihr digitales Abitur geschrieben. Dafür hat die Schule eine Sondergenehmigung des bayerischen Kultusministeriums erhalten. Die Lehrer arbeiten mit einer speziellen Software, die es ihnen ermöglicht, im Unterricht jederzeit das Internet zuzuschalten und einzusehen, an was die Schüler auf ihren Tablet-PC arbeiten und wie weit sie damit sind. Bei "Digital Ink" (ab Jahrgangsstufe 9) werden alle Unterrichtsmaterialien, Notizen, Termine, Tests, Noten, Hausaufgaben und Freizeitaktivitäten von den Schülern und Lehrern an den Touchscreen-Geräten mit Eingabestift und Tastatur verwaltet und bearbeitet. In den Klassenzimmern stehen eigens entworfene, ergonomische Tische mit Docking-Stationen, in den Projekträumen gibt es ein schnelles Funknetzwerk, hochauflösende Beamer werfen Tafelbilder an die Wand. Bearbeitete Dateien werden vom Lehrer digital "eingesammelt". Die Schüler können auch von ihrem Wohnbereich oder von Zuhause aus die Anwendungen nutzen und ihre Mails, Termine und Kontakte mit ihren Smartphones synchronisieren. Sie lernen rasch, Abläufe und Korrespondenzen digital zu planen und abzuwickeln sowie der Informationsflut durch systematisches Ordnen und Organisieren zu begegnen - neue "Hard Skills", ohne die man künftig im Studiums- und Berufsalltag nicht mehr auskommt. "Wir setzen die Technik nicht um der Technik Willen ein, sondern als echte Arbeits- und Lern-Erleichterung", sagt Müller.
Den Schülern gefällt das, die meisten können sich einen Unterricht mit Akten, Blättern und Kulis kaum mehr vorstellen. Sie lernen schnell, weil ihre Neugier ständig angeregt wird, nicht zuletzt dank der genutzten Technik. Die Schule ist für sie eine interessante Erfahrung zum kollaborativen Üben, Ausprobieren und Erleben, sie recherchieren für ihre Projekte, weil sie es wollen, weil sie Erfolge und Anerkennung erzielen. Und genau so selbstverständlich lernen die internationalen Schüler in drei Jahren neben ihrem Schulstoff ein perfektes mündliches und schriftliches Deutsch.
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