Von Gregory L. White
Die russischen Behörden wollen sich offenbar bei der Untersuchung des Flugzeugunglücks, bei dem der Chef des französischen Ölkonzerns Total ums Leben gekommen ist, keine Untätigkeit vorwerfen lassen. Christophe de Margerie und drei Crew-Mitglieder mussten ihr Leben lassen, als der Business-Jet Montagnacht auf dem Flughafen Moskau-Wnukowo beim Start mit einem Schneepflug bei geringer Sichtweite kollidierte. Russische Ermittler teilten nun mit, es seien Manager und Controller, die in der Nacht Bereitschaft hatten, festgenommen worden. Zudem seien zwei Topmanager des Flughafens von ihrem Posten zurückgetreten und drei weitere Personen wegen des Unfalls supendiert worden. Die Schritte der russischen Ermittler zeigen, dass sich die Untersuchung nicht länger nur auf den Fahrer des Schneeräumfahrzeuges, Wladimir Martynenko, beschränken.
Nach Einschätzung von Industriekennern offenbart der Unfall auf dem Flughafen Moskau-Wnukowo die oft schlechte Servicequalität auf russischen Flughäfen. Dabei gehört Moskau-Wnukowo zu den führenden Flughäfen in Russland und wird sowohl von inländischen als auch von ausländischen Delegationen angeflogen. Der Hauptverdächtige Wladimir Martynenko, der am Dienstag festgenommen wurde, musste sich am Donnerstag vor dem Basmanny-Gericht in Moskau einer mündlichen Anhörung stellen. Wladimir Martynenko räumte vor Gericht ein, dass sein Schneepflug in den Unfall verwickelt gewesen sei. Zudem sagte der 60-jährige, er kooperiere mit den russischen Ermittlungsbehörden. Das Gericht verhängte, dass Martynenko bis zum 21. Dezember in Haft bleibt.
Am Dienstag sagten russische Ermittler, dass Martynenko beim Zeitpunkt des Unfalls unter dem Einfluss von Rauschmitteln gestanden habe. Wladimir Markin, Sprecher der Ermittlungsbehörde, sagte am Donnerstag russischen Nachrichtenagenturen, dass der Blutest einen Alkoholspiegel bei Martynenko von 0,06 Prozent ergeben habe. Damit liegt der Blutalkoholwert nach russischem Recht über der zulässigen Grenze. Martynenko selbst hatte bestritten, an dem Unglückstag Alkohol getrunken zu haben. Sein Anwalt Alexander Karabanow sagte, Martynenko habe vor Schichtbeginn die medizinische Untersuchung durchlaufen. "Ich habe die Orientierung verloren und nicht gemerkt, dass ich auf die Startbahn gelangt bin", sagte Martynenko in seiner ersten Befragung aus, die auch im russischen Fernsehen zu sehen war.
Alexander Karabanow erklärte, sein Mandant habe die Gruppe der anderen Schneepflüge verloren und versucht, per Funk seinen Vorarbeiter zu kontaktieren. Ein Sprecher des Flughafens Moskau-Wnukowo sagte, der verantwortliche Vorarbeiter sei ebenfalls in Gewahrsam genommen worden. Dies wurde allerdings von Seiten der Ermittlungsbehörde noch nicht bestätigt. Martynenko hatte weiter ausgesagt, er habe mit der Gruppe von anderen Schneepflügen eine Gasse neben der Startbahn gesäubert, als er die anderen verloren habe. Der Anwalt betonte, dass es die Aufgabe der Fluglotsen sei, dafür zu sorgen, dass die Startbahn vor Flugfreigabe passierbar sei.
In einer Mittelung der Untersuchungsbehörde heißt es, dass eine Gruppe von vier Personen wohl die Bestimmungen zur Flugsicherheit und die Regeln für die Bodencrew missachtet haben, was zu dem tragischen Unfall geführt habe. Wladimir Ledenew, der Flughafentechniker, der die Schneeräumarbeiten geleitet habe, ein Flugdirektor sowie der Fluglotse Alexander Kruglow und die Praktikantin Swetlana Kriwsun stünden unter dem Verdacht, gegen die Sicherheitsvorschriften verstoßen zu haben. Unterdessen sind der Generaldirektor des Flughafens Wnukowo, Andrej Djakow, und sein Stellvertreter Sergej Solnzew zurückgetreten. Weder Djakow noch Solnzew waren für eine Stellungnahme erreichbar.
Neben dem Untersuchungsausschuss (IC) der Russischen Föderation untersuchen auch Flugunfall-Experten des russischen Interstate Aviation Committee (IAC) die Angelegenheit. Das IAC gab nun bekannt, dass der Flugschreiber der verunglückten Maschine geborgen wurde und erfolgreich die Daten aus der Black Box entnommen wurden. Das IAC arbeitet nach eigenen Aussagen eng mit den Experten der französischen Flugaufsicht und dem Flugzeug-Bauer Dassault zusammen, um der Unfallursache auf den Grund zu kommen.
In einer ungewöhnlich offenen Mitteilung ließ die russische Fluglinie Yamal Airlines am Mittwoch wissen, dass der Unfall auf dem Flughafen Moskau-Wnukowo zeige, dass das Bodenpersonal bei der Mehrheit der russischen Zivilflughäfen auf einem ganz niedrigen Niveau arbeite. Die Airline selbst erklärte, Flugzeuge von Yamal seien schon des öfteren fast mit einem Bodenfahrzeug kollidiert. Nur der besonnenen Reaktion der Crewmitglieder sei es zu verdanken gewesen, dass es zu keinem Zusammenstoß gekommen sei, so Yamal.
Weltweit wurde das Flugzeugunglück mit Bestürzung aufgenommen. Russlands Präsident Wladimir Putin äußerte sein Beileid. De Margerie hatte zu vielen Regierungschef, inklusive Putin, engen Kontakt. Ben van Beurden, Chef des Ölkonzerns Shell, habe den plötzlichen Tod von de Margerie mit tiefer Trauer vernommen. Der 63-jährige Total-Konzernchef hatte an einer Regierungskonferenz in Moskau teilgenommen, bei der es um ausländische Investitionen ging.
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October 23, 2014 07:34 ET (11:34 GMT)
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