
Von Hans Bentzien
FRANKFURT--Der Chefvolkswirt des französischen Vermögensverwalters Natixis hat die Pläne der Europäischen Zentralbank (EZB) zum Ankauf von Staatsanleihen scharf kritisiert. Patrick Artus sagte, die EZB werde mit einer Politik der quantitativen Lockerung (QE) weder mehr Inflation noch mehr Wachstum erzielen und womöglich wolle sie das auch gar nicht. "Will die EZB wirklich eine höhere Inflation, oder will sie den Regierungen ihren Schuldendienst erleichtern - das sollte man fragen", sagte Artus. Natixis ist die Investmentbank der französischen Sparkassen und Genossenschaftsbanken.
"Sie könnte ein Jahrhundert lang QE betreiben, ohne eine höhere Inflation zu bekommen", behauptete Artus bei einem Pressegespräch in Frankfurt. Der Grund dafür sei, dass die Zentralbanken die Staatsanleihen bei professionellen Investoren kauften und die Mittel nicht in Güter oder Dienstleistungen, sondern in andere Wertpapiere investierten.
Der EZB-Rat hat beschlossen, dass die Zentralbanken des Euroraums ab März monatlich Anleihen für 60 Milliarden Euro kaufen sollen. Der größte Teil davon werden Staatsanleihen sein. Widerstand dagegen kam vor allem aus Deutschland. Bundesbank-Präsident Jens Weidmann stimmte dagegen.
Artus, der an der Pariser Sorbonne lehrt, lässt an den geldpolitischen Plänen der EZB kein gutes Haar und äußert sich sehr viel unverblümter als deutsche Bankvolkswirte. So ist seiner Ansicht nach schon die Diagnose der EZB verfehlt, dass der aktuelle Inflationsrückgang gefährlich sei: Die Inflation werde vor allem vom niedrigen Ölpreis gedrückt, der seinerseits für mehr Wachstum und damit auch mehr Inflation sorgen werde, sagte er. Diese Einschätzung teilt Artus mit vielen deutschen, aber wenigen französischen Volkswirten.
Zudem glaubt Artus nicht, dass QE wirken wird - auch über den Wechselkurs nicht. "QE wird zu einer leichten Aufwertung des Euro führen", prophezeit er. Der Grund: Zwar dürften Bond-Investoren wegen der schwachen Erträge ins Ausland ausweichen und so den Euro schwächen, doch andererseits mache QE europäische Aktien attraktiver und das stärke den Euro. Der Netto-Effekt wird seiner Ansicht nach Euro-positiv sein.
Regelrecht in Rage bringen Artus aber die Risiken, die die EZB mit ihren Staatsanleihekäufen eingeht: Monetisierung von Staatsschulden, Tilgung der Anreize für eine kluge Finanzpolitik; weitere Kompression der Renditedifferenzen, keine Bepreisung von Risiken mehr, Gefahr für Finanzstabilität. Für völlig verfehlt hält Artus den Plan, dass Zentralbanken nur die Anleihen ihres eigenen Staats kaufen sollen: Das ist eine komplette Monetisierung der Staatsschuld, denn auf diese Weise würden Staats- und Zentralbankbudget Eins.
Erklärbar ist die gegenwärtige Politik der EZB aus seiner Sicht nur auf zwei Arten: "Entweder sie versucht tatsächlich, ihr Mandat zu erfüllen, obwohl es ein dummes Mandat ist, weil sie gegen den Rückgang des Ölpreises nichts tun kann. Oder sie hat eigentlich gar kein geldpolitisches, sondern ein fiskalpolitisches Mandat. Aber das sollte sie dann auch sagen."
Kontakt zum Autor: hans.bentzien@dowjones.com
DJG/hab/sha
(END) Dow Jones Newswires
February 25, 2015 09:14 ET (14:14 GMT)
Copyright (c) 2015 Dow Jones & Company, Inc.