Die Koalition bessert ihren umstrittenen Gesetzentwurf zur Tarifeinheit womöglich doch noch überraschend nach. Die CDU kündigte bei der ersten Beratung des Gesetzes am Donnerstag im Bundestag mögliche Änderungen an zentraler Stelle an. In Koalitionskreisen hatte es zuvor geheißen, der Entwurf werde wohl nicht mehr geändert. Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) verteidigte ihren Gesetzentwurf gegen eine Welle von Kritik und Ablehnung.
Mit dem Gesetz will die Regierung die Macht von Spartengewerkschaften wie die der Lokführer (GDL) eindämmen. In Betrieben mit mehreren Tarifverträgen für gleiche Beschäftigtengruppen soll nur noch der Vertrag der Gewerkschaft mit den meisten Mitgliedern gelten. Die Kritiker meinen, dann verliere die Minderheitsgewerkschaft Daseinsberechtigung und Streikrecht. Der Beamtenbund (dbb), die Ärztegewerkschaft Marburger Bund und andere kleinere Gewerkschaften hatten deshalb Verfassungsklage angekündigt. Nahles entgegnete nun, Streiks kleiner Gewerkschaften würden durch das Gesetz nicht verboten. "Streikrecht und Koalitionsfreiheit tasten wir nicht an."
Der sozialpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Karl Schiewerling (CDU), setzte sich für eine Änderung des Entwurfs ein. Dabei geht es um eine vorgesehene Passage zur Verhältnismäßigkeit von Streiks. Nach der bisherigen Fassung wären Streiks künftig wohl generell nicht verhältnismäßig, wenn die Gewerkschaft keine Mehrheit der organisierten Arbeitnehmer im Betrieb hat. Schiewerling wandte ein: "Wenn eine große Gewerkschaft (...) sich nicht ernsthaft mit kleineren um den Betriebsfrieden kümmert (...), dann kann am Ende der Tage auch der kleinen Gewerkschaft der Streik nicht verboten werden."
Die Passage zur Verhältnismäßigkeit solle also überdacht werden. Schiewerlings Argument passt dazu, dass die Koalition nach eigenen Angaben die Gewerkschaften vor allem zu mehr Kooperation drängen will. "Wir werden nach einer Lösung suchen, sofern jetzt noch weitere Schritte notwendig sind", sagte der CDU-Politiker.
Nahles argumentierte, das Recht für Arbeitnehmer, sich zusammenzuschließen, sei nicht allein ein Freiheitsrecht. Diese Zusammenschlüsse müssten das Arbeitsleben auch ordnen und befrieden. Deshalb gelte: "Unser Vorschlag ist verfassungsgemäß." Doch vor Gericht gebe es keine Sicherheit. "Das weiß jeder hier, auch ich."
Die Opposition lehnte das Gesetz ab. Für Linke-Fraktionsvize Klaus Ernst ist es "überflüssig wie ein Kropf - weil die bundesrepublikanischen Arbeitnehmer sowieso nicht viel streiken". Die Grünen-Arbeitsexpertin Beate Müller-Gemmeke warnte vor ständigem Ringen um die Vorherrschaft der Gewerkschaften durch das Gesetz: "Durch die Tarifeinheit entsteht nicht Solidarität sondern Häuserkampf."/bw/DP/stw
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