Von Andreas Kißler
BERLIN (Dow Jones)--Die Bundesregierung rechnet wegen der Flüchtlingskrise für das kommende Jahr mit einem leichten Defizit im gesamtstaatlichen Haushalt. Das hat das Finanzministerium in seinem aktuellen Monatsbericht mitgeteilt. "Im kommenden Jahr wird nach gegenwärtigen Projektionen infolge höherer Ausgaben vor allem für die Aufnahme und Unterbringung von Flüchtlingen und Asylbewerbern der Finanzierungssaldo nahezu ausgeglichen sein", schrieb Finanzstaatssekretär Thomas Steffen im Vorwort des Berichts.
Wie in jedem Jahr habe Deutschland seine Projektionen für die Haushalte von Bund, Ländern, Gemeinden und Sozialversicherungen an die EU-Kommission und die Eurogruppe übermittelt. "Für 2015 erwartet die Bundesregierung einen leichten gesamtstaatlichen Finanzierungsüberschuss", erklärte der Staatssekretär von Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU).
Finanzpolitik soll wachstumsfreundlich bleiben
In dem nach Brüssel gesandten Dokument kündigt der Bund einen Überschuss von rund 1 Prozent des Bruttoinlandsproduktes in diesem und einen Saldo von ungefähr 0 Prozent im kommenden Jahr an. Im Text dazu ist von einem nur "nahezu ausgeglichenen" Haushalt die Rede. Vergangenes Jahr betrug der Überschuss nach neuesten Angaben 0,3 Prozent.
2016 sei aber ein verstärkter Mittelabfluss etwa aus dem Kommunalinvestitionsförderungsfonds und einer Rücklage für die Bewältigung der Flüchtlingsaufnahme zu erwarten, so dass sich der gesamtstaatliche Finanzierungssaldo deutlich verschlechtere. Daher sei "die fiskalpolitische Ausrichtung des Staatshaushalts 2016 als expansiv einzuordnen, auch wenn der Finanzierungssaldo nahezu ausgeglichen sein wird".
Steffen betonte in dem Monatsbericht, die deutsche Finanzpolitik bleibe wachstumsfreundlich ausgerichtet und sichere zugleich in einem schwierigen Umfeld die gesamtstaatliche Handlungsfähigkeit. "Die deutsche Finanzpolitik trägt mit Kontinuität und Verlässlichkeit zu einem fortgesetzten Aufschwung bei." Deutschland bleibe wirtschaftlich im Aufschwung.
Die makroökonomischen Rahmenbedingungen sprächen für die Fortsetzung "eines moderaten Konjunkturaufschwungs", erläuterte das Ministerium. Die rückläufigen Preise von Energie und anderen Rohstoffen sorgten für Kostenentlastungen der Unternehmen und Kaufkraftsteigerungen der privaten Haushalte und begünstigen dadurch die gesamtwirtschaftliche Aktivität. Ferner schlage das niedrige Zinsniveau positiv zu Buche. Am aktuellen Rand zeigten die Konjunkturindikatoren allerdings "eine vorübergehende leichte Verlangsamung der gesamtwirtschaftlichen Aufwärtsbewegung" an.
Steuereinnahmen wachsen nicht mehr so stark
Angesichts dieser Konjunkturprojektion gab das Finanzministerium eine erneute Steigerung der Steuereinnahmen bekannt, die aber prozentual hinter den Zuwachsraten der Vormonate zurückblieb. Die Steuereinnahmen legten im September insgesamt ohne reine Gemeindesteuern gegenüber dem Vorjahresmonat um 3,5 Prozent zu, nachdem sie im August noch um 6,9 Prozent und im Juli sogar um 8,6 Prozent über dem Vorjahresstand gelegen hatten.
Das Steueraufkommen belief sich im September insgesamt auf rund 59,4 Milliarden Euro. Der Bund verzeichnete eine Steigerung von 3,0 Prozent, während die Länder auf ein Plus von 4,3 Prozent kamen.
Im traditionell aufkommensstarken Vorauszahlungsmonat September zeigten die veranlagten Einkommensteuern sowie die Körperschaftsteuer laut Finanzministerium kräftige Zuwächse. Aufkommensrückgänge gab es demnach hingegen unter anderem bei der Tabaksteuer, Stromsteuer, Versicherungsteuer und der Kraftfahrzeugsteuer.
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October 21, 2015 18:00 ET (22:00 GMT)
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