Das Jahresende ist immer wieder die Zeit für Prognosen für DAX & Co. Wie wird 2016? Früher war das noch vergleichsweise einfach. Damals in der guten alten Kapitalmarkt-Zeit gab es noch so etwas wie typische Verlaufsmuster gemäß normalem Konjunkturzyklus aus Aufschwung, Boom, Abschwung und Rezession. Bei schlechter Konjunktur senkte die Notenbank die Zinsen, die Wirtschaft erholte sich, die Unternehmen hatten mehr Umsatz- und Gewinnwachstum und die Aktien stiegen. Bei konjunktureller Überhitzung zog die Zentralbank die Zinszügel wieder an, Konjunktur und Unternehmen schwächelten, Aktienkurse fielen und anschließend begann der Kreislauf mit Zinserleichterungen von vorne. Für die Analyse und Einschätzung der Finanzmärkte waren dies relativ einfach zu prognostizierende Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge ähnlich dem Motto "Gewicht plus Kraft gleich Hühnerauge".
Politik ist so wenig berechenbar wie das April-Wetter
Heute sind diese analytisch paradiesischen Grundwahrheiten arg verwässert. Im Gegensatz zu früher mischt sich die große Politik gerne und breit ein, leider nicht immer mit klar erkennbarer Perspektive. Das macht die Arbeit des Analysten nicht einfach. Im Gegenteil, Politik einzuschätzen ist schwieriger als einen Sack Flöhe zu hüten. Nachdem die Politik zunächst meinte, die Finanzmärkte massiv deregulieren zu müssen, betreibt sie heute Fesselspiele mit ihnen. Ach wie "liebe" ich jene Politiker, die früher noch die finanzwirtschaftliche Religionsfreiheit von Banken & Co. beschwörten und heute am lautesten "Ans Kreuz mit ihnen" rufen.
Einschätzungen von DAX & Co. sind aber auch schwierig, weil es an nachhaltigen marktwirtschaftlichen Visionen fehlt. So werden dringende, schmerzhafte Reformen zur Standortverbesserung mit Blick auf Wünsche und Interessen der wählenden Bevölkerung gerne unterlassen. Doch wer dem Wähler nie mehr kalte Winter verspricht, wer populistisch nach allen Seiten offen ist, läuft Gefahr, nicht ganz dicht zu sein. Wie auch immer, heutzutage ist Wirtschaftspolitik so berechenbar wie der Auftritt der Schwiegermutter an Weihnachten: Es kommt immer auf ihre Laune an.
Das Rendezvous mit der Globalisierung ist nicht immer ein Lustgewinn
Ein weiteres Handicap für Kapitalmarktprognosen stellt die zunehmende Verzahnung der Weltwirtschaft dar. Das Haus Germania hat seine Türen und Fenster weit für Globalisierung geöffnet und jetzt kommen von allen Seiten angenehme Gerüche, mitunter aber auch viel Gestank hinein. Es ist nicht mehr egal, ob in einem wichtigen asiatischen Schwellenland ein Sack Reis umfällt. Über internationale Schockwellen spüren die typischerweise konjunkturzyklischen und exportorientierten Aktien aus Deutschland diesen Aufprall deutlich. Übrigens, plötzliche China-Böller wie im August und September zeigen leider, dass schwarze Schwäne ihr Erscheinen nicht ankündigen.
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