Die Aktienverluste in Shanghai lenken den Fokus auf die neue chinesische Sachlichkeit. Dass China jedoch längst in der konjunkturellen Nüchternheit der Industrieländer angekommen ist, ist nichts Neues. Neu ist auch nicht, dass sich China bei den Abwehrreaktionen aus dem westlichen Instrumentenkasten bedient: Das "Plunge Protection Team" der USA heißt in China "National Team". Dieses soll die Stimmung am Aktienmarkt stützen, um nicht zu viele schlafende Hunde zu wecken. Grundsätzlich darf man den Leitindex Shanghai Composite zwar nicht als konjunkturelles Abbild - wie in den USA oder Deutschland - betrachten. Dieser Markt ist eher mit dem Neuen Markt zu vergleichen, während die Wirtschaft bereits gereift ist. Doch weiß Peking, dass platzende Finanzmarkt-Blasen - siehe USA - psychologische Folgeschäden bei Unternehmen und Konsumenten nach sich ziehen können. Die planwirtschaftlichen Markteingriffe müssen zunächst die Aktienstimmung und später einen nachhaltigen, wenn auch weniger dynamischen Konjunkturtrend fördern.
Früher hatte man Angst vor steigenden, heute vor fallenden Preisen
Eine verhaltene weltwirtschaftliche Nachfrage, die Rückkehr des Iran an die Energiemärkte, Saudi-Arabiens Versuch, über höchste Förderquoten jede Konkurrenz fernzuhalten und überhaupt die insgesamt völlig undisziplinierte Förderpolitik der OPEC lasten dramatisch auf dem Ölpreis. Das Öl-Kartell macht den Fehler, den Ölpreisnachteil durch Mengenerhöhungsvorteile kompensieren zu wollen. Die Folge ist ein Teufelskreis aus Überangebot, Preisrutsch und noch höherem Angebot. Schon machen Prognosen von 10 US-Dollar pro Barrel Brent-Öl die Runde, die sich ebenso in deutlich abwärts gerichteten Netto-Long-Positionen am Rohöl-Terminmarkt äußern. Abhilfe schaffen können nur eine sich im Jahresverlauf stabilisierende Weltkonjunktur, Angebotsrückgänge und eine zahme Zinserhöhungspolitik der Fed. Denn ein zinsbedingt starker Dollar drückt die Rohstoffpreise. Gewaltige Preissteigerungen verhindert jedoch die ansonsten wieder attraktive Förderalternative "Fracking".
Wird der US-Dollar zur Lei(d)twährung für die Emerging Markets?
Die EZB betreibt mit ihrer lockeren Geldpolitik insgeheim auch eine exportfreundliche Euro-Abwertung. In Kombination mit der Leitzinserhöhungsdiskussion in den USA kann der Euro bis Jahresende auf etwa 1,03 fallen. Die Bank of Japan schaut sicher nicht zu, wie die Eurozone Japans Industrie Boden im Welthandel wegnimmt und wird ebenfalls auf die konsequente Schwächung des zuletzt zulegenden Yen zur Stützung der Exportindustrie setzen. Mittlerweile ist auch China zur außenwirtschaftlichen Stimulierung auf den Abwertungszug aufgesprungen. Und selbst Amerika spürt die Dollar-Stärke schmerzhaft in den Auftragsbüchern seiner Exportindustrie. Da sich das Märchen von der ach so robust laufenden US-Konjunktur bald als übertrieben erweisen wird, spricht wenig für eine scharfe US-Leitzinswende. Dies wäre auch eine frohe Botschaft für Schwellenländer, denen aufgrund ihrer hohen US-Dollar-Verschuldung eine noch härtere Weltleitwährung noch mehr Kummer bereitete.
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