Von Benjamin Krieger
FRANKFURT (Dow Jones)--Der Ausverkauf an Europas Börsen hat am Mittwoch fast schon panikartige Züge angenommen. Auf die Erholung am Vortag folgten umso heftigere Verkäufe. Händler und Analysten machten einmal mehr den ungebremsten Fall des Ölpreises für die Baisse an den Aktienmärkten verantwortlich. Rohöl der Sorte Brent fiel im Tagesverlauf unter 28 US-Dollar. Der DAX büßte 2,8 Prozent auf 9.392 Punkte ein. Per Schlusskurs ist das der tiefste Stand seit 13 Monaten.
Der Euro-Stoxx-50 rutschte um weitere 3,3 Prozent auf 2.883 Punkte und entfernt sich immer mehr von der wichtigen 3.000er Marke. "Es gibt nicht mehr die gleiche Sicherheit wie zuvor", sagte Giles Fitzpatrick, Partner beim Finanzberater Hannam & Partners. Die Sorgen um China kämen zu einer Zeit, in der Investoren sich mit einer Vielzahl anderer Probleme herumschlagen müssten.
So laste der vor allem zu den Devisen der Rohstoffländer feste Dollar schwer auf den Schwellenländern. Die Aufhebung der Sanktionen gegen den Iran drücke zudem den Ölpreis. Und schließlich habe die Federal Reserve jüngst erstmals seit fast einem Jahrzehnt die Zinsen erhöht. "All diese Dinge sind kurz nacheinander gekommen", sagte Fitzpatrick. Die Marktakteure fragten sich, ob die Zentralbanken rund um die Welt diesen "Schock" überhaupt noch auffangen können.
Angesichts der weltweiten Flucht von Anlegern aus Risiken waren als sicher geltende Staatsanleihen die großen Profiteure. Der Terminkontrakt auf Bundesanleihen stieg auf den höchsten Stand seit April vergangenen Jahres. Der Goldpreis stieg wieder über 1.100 Dollar.
An den Finanzmärkten retten sich die Akteure in Cash, also in Barmittel. Der Anteil der Barbestände in den Portfolios ist laut einer Umfrage der Bank of America-Merrill Lynch zuletzt auf im Schnitt 5,4 Prozent gestiegen. Er ist damit so hoch wie seit sieben Jahren nicht mehr. Gleichzeitig seien die Anleger in Rohstoffen so stark untergewichtet wie noch nie seit Beginn der Erhebung im Jahr 2006.
Der Ausstieg aus allem, was mit Rohstoffen zu tun hat, setzte sich auch am Mittwoch unvermindert fort. Der europäische Rohstoffsektor und auch der Öl- und Gassektor brachen jeweils um mehr als 5 Prozent ein. "Die Rohölpreise sind durch Überangebot, die Opec-Politik und nur geringes Nachfragewachstum stark abgesackt", sagte Frank Klumpp von der LBBW. Die Ölnachfrage werde 2016 das vierte Jahr in Folge weniger stark steigen.
Am Devisenmarkt war der als sicherer Währungshafen geltende Yen der Profiteur. Der Dollar fiel zum Yen erstmals seit 13 Monaten unter die Marke von 116 Yen. Der Euro wertete zur japanischen Währung auf den niedrigsten Stand seit April vergangenen Jahres ab. Der Euro zum Dollar bewegte sich per Saldo mit 1,09 kaum von der Stelle.
Im Mailand musste die Börse kurz vor Handelsschluss die Aktien von Fiat Chrysler und der Bank Unicredit vom Handel aussetzen, weil diese jeweils mehr als 7 Prozent gefallen waren. Investoren räumten offensichtlich weitere Risikopositionen, sagten Händler, worunter vor allem der Bankensektor leide. Parallel dazu schnellte die Rendite zehnjähriger italienischer Anleihen seit dem Morgen um 15 Basispunkte nach oben auf in der Spitze 1,68 Prozent.
An der Börse in Zürich brachen Zurich Insurance um fast 11 Prozent ein. Der Versicherer rechnet mit Verlusten von 275 Millionen US-Dollar wegen Unwettern in Großbritannien und Irland und dürfte daher 2015 mit einem Rekordverlust abschließen.
Auch am deutschen Aktienmarkt wurden solche Papiere verkauft, mit denen Anleger größere Risiken verbinden. Dazu zählten neben Bankenaktien und dem Automobilsektor auch die Versorger. Die Kurseinbußen von RWE, Eon, BMW, Daimler, VW, Commerzbank und Deutsche Bank reichten von 2,6 bis zu 6,3 Prozent.
Ein Technologiewert zählte zu den ganz wenigen Gewinnern an den Börsen. Eine optimistische Prognose für 2016 und eine höhere Dividende verhalf dem Kurs des niederländischen Halbleiterausrüsters ASML zu einem Plus von 4,7 Prozent.
Index Schluss- Entwicklung Entwicklung Entwicklung stand absolut in % seit Jahresbeginn Euro-Stoxx-50 2.882,59 -97,90 -3,3% -11,8% Stoxx-50 2.738,91 -92,01 -3,3% -11,7% Stoxx-600 322,29 -10,64 -3,2% -11,9% XETRA-DAX 9.391,64 -272,57 -2,8% -12,6% FTSE-100 London 5.673,58 -203,22 -3,5% -9,1% CAC-40 Paris 4.124,95 -147,31 -3,4% -11,0% AEX Amsterdam 395,72 -11,96 -2,9% -10,4% ATHEX-20 Athen 144,01 -11,46 -7,4% -21,5% BEL-20 Bruessel 3.285,15 -97,33 -2,9% -11,2% BUX Budapest 22.753,21 -461,56 -2,0% -4,9% OMXH-25 Helsinki 3.024,56 -95,96 -3,1% -10,0% ISE NAT. 30 Istanbul 85.152,39 -1889,05 -2,2% -4,7% OMXC-20 Kopenhagen 901,06 -31,03 -3,3% -11,2% PSI 20 Lissabon 4.679,01 -119,90 -2,6% -14,2% IBEX-35 Madrid 8.281,40 -273,50 -3,2% -13,2% FTSE-MIB Mailand 17.967,91 -912,61 -4,8% -16,1% RTS Moskau 628,41 -31,88 -4,8% -17,0% OBX Oslo 456,92 -23,28 -4,8% -15,2% PX-GLOB Prag 1.116,83 -21,98 -1,9% -10,0% OMXS-30 Stockholm 1.290,95 -41,22 -3,1% -10,8% WIG-20 Warschau 1.674,57 -17,95 -1,1% -9,9% ATX Wien 2.043,40 -71,08 -3,4% -14,7% SMI Zuerich 7.966,34 -257,42 -3,1% -9,7% DEVISEN zuletzt +/- % Mi, 8.07 Uhr Di, 18.10 Uhr EUR/USD 1,0908 -0,46% 1,0958 1,0905 EUR/JPY 126,96 -0,60% 127,73 128,31 EUR/CHF 1,0940 -0,09% 1,0950 1,0939 GBP/EUR 1,2991 0,57% 1,2917 1,3000 USD/JPY 116,38 -0,13% 116,53 117,66 GBP/USD 1,4171 0,14% 1,4151 1,4175
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January 20, 2016 12:17 ET (17:17 GMT)
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