Da sich der jahresanfängliche Nebel der Unsicherheit an den Finanzmärkten gelichtet hat, ist es Zeit für eine fundamentale Neueinschätzung. Vom Rohölpreis, der seinen Boden endgültig gefunden hat, gehen trotz einer disziplinlosen OPEC keine großen Gefahren mehr für Schwellenländer und Aktienmärkte aus. US-Aktien dienen als sicherer Anlagehafen, die gegenüber einem sklerosen Europa von einer vergleichsweise hohen politischen Stabilität und einem freundlichen Investitionsnährboden profitieren. Immerhin wird die EZB weiter alles unternehmen, um die Eurozone mit ihrer Pattex-ähnlichen Geldpolitik zusammenzuhalten. Das sich allmählich bessernde weltwirtschaftliche Umfeld kommt dem Industrieland Deutschland zugute. Insgesamt haben Aktien Frühlingsgefühle.
Der Ölpreis hat seinen konjunkturellen Schrecken verloren
Der ruinöse Preiskampf um Marktanteile beim Rohölverkauf zwischen den Erzfeinden Saudi-Arabien und Iran verhindert eine dem Allgemeinwohl der OPEC dienende Einfrierung der Ölförderung. Damit schadet die OPEC nicht nur ihrer Glaubwürdigkeit, sondern auch ihrer zukünftigen Preissetzungsmacht. Sie ist kein Tiger mehr. Man kann ihn zwar noch tanken, aber beißen kann er nicht mehr. Nach der letzten Öl-Rallye sind insofern nachgebende Notierungen grundsätzlich möglich. Eine markante Preisschwäche droht jedoch nicht. Die spekulativen Netto-Long Positionen am Rohöl-Terminmarkt sind deutlich angestiegen.
Offensichtlich ist außerhalb der OPEC so viel wirtschaftliche Vernunft vorhanden, nicht zu jedem Preis Öl zu fördern, siehe die USA.
Zudem geben die abebbende Zinserhöhungsrhetorik der Fed und damit verbunden die Schwächung des US-Dollars - die US-Währung und Rohstoffe entwickeln sich üblicherweise gegenläufig - dem Ölpreis Auftrieb.
Umgekehrt ist über eine weltkonjunkturelle Erholung aber auch kein deutlicher Preisanstieg zu erwarten. Denn die alternative Fördermethode Fracking, die spätestens ab Ölpreisen von 60 Dollar pro Barrel wieder lukrativ wird, wirkt wie ein massiver charttechnischer Widerstand.
Brasilien - Neue politische Besen würden gut kehren
Trotz einer schweren Rezession befinden sich brasilianische Aktien seit ihrem 7-Jahres-Tief im Januar mit Kursgewinnen von über 40 Prozent eindeutig im Bullenmarkt. Der rohstofflastige Bovespa-Aktienindex, in dem zu rund 40 Prozent Öl-, Stahl- und Industriemetall-Titel vertreten sind, profitiert eindeutig von der Preisstabilisierung bei Rohstoffen.
Damit stehen Brasilien und sein Aktienmarkt aber nur auf einem Bein. Die aktuelle Präsidentin Dilma Rousseff hat es grob fahrlässig verpasst, die satten Einnahmen aus der früheren Zeit hoher Rohstoffpreise zur Modernisierung der Infrastruktur und zum Aufbau einer breiter aufgestellten Volkswirtschaft zu verwenden.