"Der Mai ist gekommen, die Bäume schlagen aus…". Diese Frühlingsgefühle zeigen die Aktienmärkte jedoch noch nicht. Den zahlreichen potenziellen Krisen scheint im vermeintlichen Aktien-Schicksalsmonat Mai eine hohe Bedeutung zuzukommen. Aber ist die aktuelle Risikoaversion gerechtfertigt? Nachfolgend werden die einzelnen Risikoparameter auf ihre Stichhaltigkeit untersucht.
Chinas Konjunktur - Die neue Sachlichkeit
Die Daten des offiziellen wie auch des vom privaten Finanzdatenanbieter Caixin veröffentlichten Einkaufsmanagerindex für das Verarbeitende Gewerbe bleiben verhalten. Immerhin, die große Angst der Anleger vor unkontrollierbaren Konjunktureinbrüchen in China mit weltwirtschaftlichen Ausstrahleffekten scheint vorbei zu sein.
Diese planwirtschaftlich mühevoll herbeigeführte Beruhigung wird die KP in China nicht leichtsinnig verspielen. Vor allem hat Peking verstanden, dass ein zumindest seitwärts laufender Aktienmarkt auch eine weniger negative Einschätzung der Konjunktur nach sich zieht. In diesem Zusammenhang ist die Aktienstützung durch die People's Bank of China eine klare "Heilsbotschaft". Leitbild dieser Geldpolitik ist die japanische Notenbank, die mittlerweile zu den größten Anteilseignern der im Nikkei 225 gelsteten Unternehmen gehört. In beiden Ländern hebt man damit auch den Vermögenseffekt stärker hervor: Eine allgemeine Verbesserung der Vermögenspositionen stützt über eine aufgehellte Konsumstimmung die Binnen- und schließlich auch die Weltkonjunktur.
US-Zinswende - Wer hat noch Angst vor Janet Yellen?
Die US-Wirtschaft zeigte sich im I. Quartal mit 0,5 Prozent ungewohnt wachstumsarm. Zumindest im Verarbeitenden Gewerbe sieht es auch perspektivisch nicht nach einer Aufhellung aus. Vielmehr hat hier die Stimmung gemäß ISM Index - insbesondere im Subindex Neuaufträge - zuletzt klar nachgegeben.
Für die "datenabhängige" Fed gibt es insofern auf ihrer nächsten Sitzung am 15. Juni 2016 keinen Grund für eine Zinserhöhung. Die eine Woche später stattfindende Abstimmung über den Verbleib der Briten in der EU ist für die Fed ohnehin ein "gefundenes Fressen", um mit Verweis auf daraus folgende Irritationen an den Finanz- und Währungsmärkten nicht noch mehr Öl in das Feuer zu gießen. Und nach der Sommerpause ist der in die heiße Phase gehende US-Präsidentschaftswahlkampf ohnehin ein historisch immer gern genutztes Alibi für zinspolitische Enthaltsamkeit. Insgesamt wäre der früheste Zinserhöhungstermin - wenn überhaupt - der Dezember 2016. Mit Blick auf die nicht rund laufende US-Volkswirtschaft ist sogar ein neuerliches Anleiheaufkaufprogramm - dann QE 4 - möglich. Zinspolitisches Ungemach droht für die Aktienmärkte insofern nicht.
Euro-Aufwertung - Es kreiste der Berg und gebar eine Maus
Angesichts der zurückhaltenden Zinsrhetorik der Fed hat der Euro seit Jahresbeginn gegenüber dem US-Dollar um knapp sechs Prozent auf zwischenzeitlich bis zu 1,16 zugelegt. Unterstützung findet diese Aufwärtsbewegung nicht zuletzt am Devisen-Terminmarkt.
Auf einer breiteren, handelsgewichteten Basis ist die Aufwärtsbewegung der Gemeinschaftswährung jedoch weit weniger stark ausgeprägt. Insbesondere gegenüber einem äußerst robusten japanischen Yen, jedoch auch im Vergleich zu Schweizer Franken und Schweden-Krone - also wichtigen Exportkonkurrenzwährungen - zeigt sich der Euro verhalten.
Insgesamt ist die Euro-Aufwertung gegenüber US-Dollar eher ein psychologischer Belastungsfaktor in den Kopfkinos der Anleger als ein fundamentales Handicap für Exportunternehmen. Überhaupt, die deutsche Industrie hat in der Vergangenheit auch mit noch viel höheren Euro-US-Dollar-Notierungen gut leben können. Wirklich entscheidend für die Exportindustrie ist das weltkonjunkturelle Umfeld.