Selten hat eine Präsidentschaftswahl in den USA die westlichen Gesellschaften so gespalten. Und auch knapp eine Woche nach der Wahl scheinen sich viele Menschen noch nicht an deren Ergebnis gewöhnt zu haben. Vor allem, weil sich die Umfrageinstitute in dramatischer Weise geirrt haben. Und es scheint fast so, als ob die Angst, womöglich nicht der gesellschaftlichen Norm zu entsprechen, sogar dazu geführt hat, dass viele Wähler bei Umfragen nicht aufrichtig geantwortet haben, aus Angst vor einer möglichen Isolation, wenn sie zu Kandidaten oder Parteien tendierten, die von den Medien und der offiziell vorherrschenden Meinung abwichen. Auch hierzulande galt es bis vor kurzem noch als schick, offiziell den designierten US-Präsidenten Donald Trump abzulehnen, weil er Standpunkte vertritt, die bislang gesellschaftlich als kaum akzeptabel galten.
Das hat sich nun geändert.
Reset der Normen
Genauso wie die anonyme Masse der US-Amerikaner, die vorgeblich Trump abgelehnt hatte, plötzlich zu einer Mehrheit von Trump-Anhängern mutierte, scheinen dessen Ideen auch hierzulande bei immer mehr Menschen auf Gegenliebe zu stoßen. Und wenn EU-Parlamentspräsident Martin Schulz jetzt fordert, dem designierten US-Präsidenten offen zu begegnen und praktisch von vorne anzufangen, indem beide Seiten "auf Null schalten" und sich gegenseitig eine Chance geben, kann man dies einerseits natürlich als Zeichen des Respekts vor dem US-Wahlergebnis deuten. Zum anderen könnte sich in dieser Aufforderung zu einem Reset aber auch die unbewusste Änderung eines gesellschaftlichen Bezugspunkts dessen, was gemeinhin als akzeptabel gilt, andeuten. Gewissermaßen eine Verschiebung des Maßstabs für die Wahrnehmung dessen, was ethisch oder politisch korrekt ist, mithin eine klammheimliche Veränderung von gesellschaftlichen Normen und Referenzpunkten.
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