Mit Blick auf die konjunkturellen, finanz- und sozialpolitischen Risiken entkommt die EZB nicht ihrer eingeübten Rolle als "Ausputzer" der Eurozone. Mit professionell zur Schau getragener Lässigkeit behält sie ihre ultralockere Liquiditäts- und Niedrigzinspolitik bei. Auch kein Inflations-Wässerchen kann die Geberlaune von Mario Draghi trüben. Von der europäischen Geldpolitik geht keine nachhaltige Gefahr für die Finanzmärkte aus. Überhaupt verhindert eine global üppige Geldpolitik eine klare Bereinigung der Aktienmärkte.
Zinserhöhungserwartungen werden von der EZB konsequent bekämpft
Das langjährige Gespenst der Deflation in der Eurozone ist zwar verschwunden. Doch streut die EZB trotz zuletzt gestiegener Rohstoffpreise und von ihr auch angehobener Inflationsprojektionen - 2017 statt 1,3 Prozent 1,7; 2018 1,6 nach 1,5 Prozent und 2019 unverändert 1,7 Prozent - Zweifel, dass in den nächsten drei Jahren mit einer Erreichung ihres Inflationsziels von zwei Prozent zu rechnen ist.
Die Entwicklung der Rohstoffpreise könnte Herrn Draghi Recht geben. Wenn die Ölpreise im Jahresverlauf wie erwartet nicht weiter steigen, laufen die preissteigernden Basiseffekte aus. So hat Saudi-Arabien bereits anklingen lassen, seine einseitigen Förderkürzungen zu überdenken, wenn sie nicht von anderen disziplinlosen Ölländern mitgetragen werden. Ab Preisen von etwa 55 US-Dollar gewinnt das Öl-Fracking ohnehin an breiter Attraktivität und verhindert fortgesetzte Ölpreisanstiege.
Nach Aussagen von Mario Draghi weist die Kerninflationsrate - d.h. ohne Berücksichtigung von Energie- und Nahrungsmitteln - ohnehin keine Aufwärtsdynamik auf. Und er erklärt, dass diese auch ohne Zutun der Geldpolitik selbsttragend sein müsste. Diese Bedingung ist kaum überprüfbar. Die EZB hat somit einen willkommenen Gummiparagraph gefunden, um geldpolitisch möglichst lange nicht restriktiv werden zu müssen.
Den Wachstumsoptimismus in der Eurozone teilt die EZB nur bedingt. Zwar hat sie aus ihrem Sitzungs-Kommuniqué die Aussage gestrichen, "alle innerhalb ihres Mandats verfügbaren Instrumente" einzusetzen, um ihre Konjunkturziele zu erreichen. Zudem betont EZB-Chef Draghi, dass sich die Risiken für die Euro-Wirtschaft zuletzt ausgeglichener darstellen. Und tatsächlich hebt die EZB sogar ihre Wachstumsprojektionen leicht an: 1,8 nach 1,7 Prozent im Jahr 2017 und 2018 von 1,6 auf 1,7 Prozent. Gleichzeitig jedoch beteuert Draghi, dass diese Konjunkturprojektionen nur bei vollständiger Umsetzung aller geldpolitischen Maßnahmen der EZB zu erwarten sind und dass seine Formulierung "ausgeglichenere Risiken" nicht bedeutet, dass die Konjunkturrisiken beseitigt sind. Seine Botschaft ist eindeutig: Ohne unsere freizügige Geldpolitik ist ein Wirtschaftsaufschwung unmöglich.
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