Bislang war es nur eine unverbindliche Dampfplauderei im englischen Pub oder beim Five O'Clock Tea. Doch nun ist der Antrag auf Scheidung Großbritanniens von der EU in Brüssel eingegangen. Jetzt beginnen die Trennungszeit und harte Verhandlungen.
Wir wissen ja bereits, dass Briten und geringes Selbstbewusstsein so wenig zusammenpassen wie englische Küche und Michelin-Sterne. Doch jetzt wird es übermütig: Premierministerin Theresa May und ihr Außenminister Boris Johnson tun täglich das Glaubensbekenntnis kund, dass der Brexit nicht schlimmer ist als der Verlust eines Cricket-Turniers irgendwo in den Midlands. Die Risiken seien klein und die Chancen groß. Ja, es gehe aufwärts. Da hat der britische Löwe wohl die Jahresration an Kraftfutter auf einmal zu sich genommen.
Es geht aufwärts, sprach der Fisch, nachdem er angebissen hatte
Doch diese Scheidung ist alles andere als ein lockeres Picknick im Hyde Park. Der mögliche Wegfall des größten Binnenmarkts der Welt, nämlich die EU, wäre für die Briten so unangenehm wie nebeliges Wetter das ganze Jahr. Die Verhandlungsführer der Insel werden schnell merken, dass die eigenen handelspolitischen Machtpotenziale eher die Qualitäten eines Yorkshire Terriers und weniger die eines Pitbulls haben. Die Gegenseite der EU hat mehr Biss.
Vor allem die Wunderwaffe der britischen Volkswirtschaft, die auf der Insel angesiedelten Banken, müssen aufpassen, ihre Qualitäten als Hechte im Finanz-Karpfenteich nicht zu verlieren. Um ihre Geschäftsfähigkeit mit der Rest-EU aufrechtzuerhalten, benötigen sie eine Lizenz. Dazu müssen sie in Feindesland, in die EU, z.B. nach Frankfurt umsiedeln. Wertschöpfung und Arbeitsplätze in der Londoner Finanzmetropole gehen verloren.
Aber auch die Firmen ihrer Majestät mit einem Exportanteil in die EU von ca. 45 Prozent haben ein ernstes Problem. Käme es nach Brexit zu keinem neuen Freihandelsabkommen, unterlägen Exporte von Großbritannien den Regeln der Welthandelsorganisation WTO, würden also Zölle von 10 Prozent fällig. Großbritannien wäre als Exportstandort so wenig attraktiv wie zerkochtes Gemüse für Kontinentaleuropäer.
Überhaupt sind die britischen Produkte abgesehen von gefühlt 10.000 Kekssorten und jeder Menge Royal Kitsch nicht so attraktiv, dass sie auch noch nach Auferlegung von Importzöllen bedingungslos gekauft würden. Auch Margaret Thatcher hat ganze Arbeit geleistet: Die einst ernstzunehmende englische Industrie hat sie vom Hof gejagt wie einen tollwütigen Hund.
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