Aachen (ots) - Wen Politik wirklich interessiert, wer genau zuhörte, konnte beim TV-Duell Merkel-Schulz durchaus Erkenntnisse gewinnen. Wer Polemik, persönliche Attacken und Holzhammer-Argumente nach dem Muster des jüngsten US-Wahlkampfes erwartet hatte, wurde enttäuscht. Höflich und respektvoll zu bleiben, dafür müssen sich die Kanzlerin und ihr Herausforderer nicht schämen. Dass Schulz sympathisch, aber nicht besonders angriffslustig und Merkel die Ruhe selbst war und nicht in Bredouille gebracht wurde, dass die Moderatoren nahezu konzeptionslos und nicht herausfordernd waren, stimmt alles, führt aber nicht zur Quintessenz dieser Sendung. Die liegt darin, dass die beiden großen, maßgeblichen Kanzlerparteien der Republik - zumal in außenpolitisch heiklen Zeiten - ein großes Maß an Übereinstimmung in wichtigen Fragen und kein Interesse an extremen Positionen haben. Das ist zugegebenermaßen langweilig, das kann sogar einschläfernd sein. Aber dann eben nicht einzuschlafen, sondern zuzuhören, ist staatsbürgerliche Pflicht. Das klingt altmodisch, ist aber nicht falsch. Große Lautstärke und Wahlkampfklamauk, damit das Wahlvolk wach bleibt, sollten verzichtbar sein. Die Wahlentscheidung wäre einfacher, wenn es mehr klare Differenzen in möglichst vielen Fragen gäbe. Die Wahlberechtigten haben aber keinen Anspruch darauf, dass man es ihnen einfach macht. Der Vorwurf, der Wahlkampf ertrinke in einer Konsenssoße, der jetzt wieder massiv erhoben wird, ist nicht von der Hand zu weisen. Trotzdem soll es ausnahmsweise mal um eine andere Perspektive gehen, weil sie derzeit meist missachtet wird: Ist es wirklich so schlimm, wenn in einem freiheitlichen, demokratischen, pluralistischen Land die Hauptrepräsentanten der beiden maßgeblichen Parteien in den großen politischen Linien übereinstimmen? Gott sei Dank haben wir systemstabilisierende Parteien. Ja, der Grundkonsens ist erstaunlich groß. Am lautesten wettern politische Fanatiker dagegen. Wer wünscht sich nicht klaren, pointierten Streit, wie man ihn aus anderen Phasen bundesrepublikanischer Geschichte kennt, Streit, der für Klarheit sorgt. Aber deshalb den Grundkonsens zu verachten, ihn zu attackieren und dabei gleichzeitig die politische Kultur schlechtzureden, ist schäbig. Verdruss über zu wenig politischen Streit taugt nicht als Grund für Demokratieverdrossenheit. Wer Streit will, findet in den Wahlprogrammen ausreichend Anhaltspunkte; man muss sich nur informieren. Es gibt hierzulande manche Ungerechtigkeiten. In einer unruhigen Welt ist die politische, soziale und wirtschaftliche Lage in Deutschland aber ziemlich stabil. Die meisten Menschen sehnen sich nicht nach viel Veränderung. Das lässt sich mit guten Argumenten kritisieren, scharf kritisieren, wie Martin Schulz es tut. Es ist aber unredlich, der Kanzlerin vorzuwerfen, dass die SPD mit ihren zahlreichen Initiativen der letzten Wochen auf so wenig demoskopische Resonanz stößt. Im Interesse der parlamentarischen Demokratie müssen die Grundkonsensparteien zusehen, dass sie jene wieder für Wahlen und Demokratie - zum Mitmachen - motivieren, denen Schulz wie Merkel, die Politik überhaupt egal geworden ist, die nicht mehr dabei sind. Eine wichtige Voraussetzung dafür wäre, dass nach der Bundestagswahl nicht schon wieder eine große Koalition regiert.
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