Nach Hurrikan Harvey ist vor Irma. Dieser Hurrikan der höchsten Stufe 5 ist einer der stärksten der vergangenen Jahrzehnte und dürfte in einigen Tagen Florida erreichen. Im Gegensatz zu Harvey, welcher vor allem in Texas wütete, zu Überschwemmungen führte und somit auch die dortigen Ölförderanlagen und Raffinerien beschädigt hat, dürfte Irma vor allem auf der Nachfrageseite Spuren hinterlassen. Dies sollte den Erholungsprozess bei der Nachfrage nach Wirbelsturm Harvey vorerst unterbrechen.
Während die Sorgen um Irma größer werden, begann dagegen die Erholung der Ölnachfrage und der Wiederaufbauprozess in Texas in der vergangenen Berichtswoche. Dies wurde unterstützt durch anhaltend trockenes Wetter, was zu einem schnelleren Rückgang des Hochwasserpegels führt. Wir schätzen, dass die Hälfte der Raffinerie-kapazitäten voraussichtlich bis heute (07.09.) wieder ans Netz kommen wird. Dennoch ist der entsprechende Ausfallgrad von 2,0 Mio. Barrel/Tag noch immer signifikant relativ zu den tatsächlich beschädigten Kapazitäten (0,3 Mio. Barrel/Tag). Dagegen sind nun fast alle Häfen wieder geöffnet, was der Schlüssel hin zu einer Normalisierung bei der Rohöl- als auch Petroleumproduktversorgung ist. Dennoch dürfte es im ersten Monat nach Hurrikan Harvey zu einem Aufbau der US-Rohölvorräte von bis zu 40 Mio. Barrel/Monat kommen, während die Benzin- und Destillatevorräte um 16 bzw. 13 Mio. Barrel/Monat rückläufig sein sollten. Insgesamt sind die Auswirkungen des Hurrikans in der kurzen Frist tendenziell preisbelastend gewesen. Das Potenzial für einige anhaltende US-Onshore-Produktionskürzungen und die voraussichtlich steigende Nachfrage während und nach dem Wiederaufbau deuten darauf hin, dass nach einigen Monaten sogar positive Auswirkungen auf die Preise haben könnte. Diese Einschätzung müsste jedoch revidiert werden, wenn der Hurrikan Irma eine heftige Landung an der südlichen US-Ostküste und Florida macht.
Global betrachtet zeichnet sich ein Bild eines gegenwärtig sehr intakten und robusten Marktumfeldes. Die weltweite Ölnachfrage überraschte die Marktteilnehmer den dritten Monat in Folge auf der Oberseite. Bedingt durch ein sehr unterstützendes makroökonomisches Umfeld stieg die Ölnachfrage im Juli um durchschnittlich mehr als 2 Mio. Barrel/Tag YoY. Interessant hierbei ist, dass das Wachstum der Ölnachfrage in den OECD-Staaten sogar das Wachstum in den Nicht-OECD-Staaten überstieg. Diese positive Entwicklung spiegelt sich auch in der Preisentwicklung bei Rohöl wider. So notiert die Nordseesorte Brent erstmalig seit Mitte April wieder über der Marke von 54 US-Dollar/Barrel. Zur Preisentwicklung beigetragen haben zudem Gespräche zwischen Russland und Saudi-Arabien über eine mögliche Verlängerung der Produktionskürzungen. Das russische Energieministerium hat zugleich sein Bekenntnis zum Abkommen mit der OPEC bekräftigt und eine Übererfüllung der Produktionskürzung im August um rund 50 Tsd. Barrel/Tag vermeldet. Die starke Kooperation der wichtigsten Ölproduzenten bei der Bekämpfung der "Ölschwemme" schürt Hoffnungen der Marktteilnehmer auf einen weiter anhaltenden Abbau der OECD-Öllagerbestände. Diese Kooperation dürfte anhalten, bis die Lagerbestände sichtbar unterhalb des Fünfjahresdurchschnitts gefallen sind und die Terminkurve vollständig und nachhaltig in Backwardation (~Spot- > Terminpreise) notiert. Letzteres kann relativ rasch gehen. Ein Vergleich hierzu liefert das Jahr 2007. Damals ging die Terminkurve innerhalb von drei Tagen von Contango in Backwardation über, nachdem sich die Lagerbestände normalisiert hatten.
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