Mainz (ots) - Diesmal also auf Nummer sicher. Mit ihrer Dylan-Eskapade im Vorjahr hat die Nobelakademie für Aufsehen gesorgt - sich aber auch viel Kritik und einen auftrittsscheuen Preisträger eingebrockt. Erst im Juni hat der Songpoet die obligatorische Nobelvorlesung abgeliefert - als Tonbandaufzeichnung. Bei der Verleihung musste Patti Smith ihn vertreten. Dylan ist sich damit treu geblieben - aber die Akademie wollte etwas vergleichbares wohl nicht nochmal mitmachen. Also Kazuo Ishiguro. Ein Autor, den nur wenige auf ihrem Zettel hatten. Die Juroren konnten so wieder überraschen - und anders als 2016 häufen sich jetzt positive Stimmen. Literaturkritiker Denis Scheck zeigt sich gar "begeistert". Es gibt an Ishiguro auch wenig auszusetzen. Selbst wer seinen Namen nicht kennt, hat bestimmt von "Was vom Tage übrig blieb" gehört - und sei es durch die Verfilmung mit Anthony Hopkins. Ishiguro zeigt sich in dem Roman als klassischer Erzähler, mit schnörkellos-elegantem Stil. Das ist mehr, als man von Friedenspreisträgerin Margaret Atwood sagen kann, die im Vorfeld als eine Favoritin gehandelt wurde. Eine Entscheidung für sie wäre eher ein politisches Zeichen gegen Trump gewesen als eine literarische Würdigung. Mit Ishiguro umschifft die Akademie das Thema politische Relevanz jedoch jetzt ganz. Und zeichnet wieder einen Europäer aus - Ishiguro hat japanische Wurzeln, ist aber Brite. Ein bisschen kommt Asien zum Zug - aber lieber nicht völlig, wie etwa durch den vielseitigeren, aber auch popkulturelleren Dauer-Kandidaten Haruki Murakami. Das macht Ishiguro nicht zu einer schlechten Wahl. Aber auch nicht zu einer mutigen.
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