BERLIN (dpa-AFX) - CDU, CSU, FDP und Grüne haben sich nach einem weitgehend entspannten Auftakt der Jamaika-Sondierung für die tiefer gehendere Diskussion über Einzelthemen in Stellung gebracht. CSU-Chef Horst Seehofer nannte eine "schwarze Null", Steuerentlastungen und Investitionen am Samstag als zentrale Punkte. CDU-Präsidiumsmitglied Jens Spahn verlangte, die Pläne der Union müssten Kern der Migrationspolitik einer möglichen Koalition sein. Der FDP-Vorsitzende Christian Lindner betonte, seine Partei wolle mehr Geld für Bildung durchsetzen. Die Grünen erwarten Probleme beim Thema Klimaschutz.
Die Jamaika-Unterhändler wollen in der Sondierung von Dienstag an Einzelthemen so detailliert bearbeiten, dass die eigentlichen Koalitionsgespräche hin zu einem Regierungsvertrag der vier Parteien nach Möglichkeit nicht mehr scheitern können. Die Gremien der Parteien werden am Montag eine Bewertung des Auftakts der Gespräche vornehmen. Am Dienstagabend werden sie fortgesetzt. Aufgerufen sind dann die sensiblen Themen Steuern und Finanzen sowie Europa.
Auf die Frage, welche Knackpunkte er beim Thema Finanzen sehen, sagte Seehofer: "Solide Finanzen, keine Schulden, Steuerentlastung und ordentliche Zukunftsinvestitionen". Zur Höhe der Investitionen ergänzte er: "Wir haben viele Vorschläge dazu, aber wir müssen jetzt einfach austarieren, was wir machen können. Von der Bildung bis zur Infrastruktur." Die CSU will nun rasch auch über Sozialthemen wie Rente und Pflege reden. Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt sah in einem Schwerpunkt Soziales eine Chance für Jamaika.
Der CDU-Politiker Spahn pochte auf eine Verankerung der Migrationsvorhaben der Union in einem schwarz-gelb-grünen Bündnis. "Unser Kompromiss muss der Kern der Migrationspolitik von Jamaika sein", sagte er der "Welt am Sonntag". "Aber FDP und Grüne können ihn ja noch mit guten Ideen ergänzen." CDU und CSU wollen etwa, dass der Familiennachzug für Flüchtlinge mit eingeschränktem Schutzstatus ausgesetzt bleibt. Die Grünen dagegen halten den Nachzug der Kernfamilie für wichtig für die Integration. Sie hatten klar gemacht, dass sie in dem Unionskompromiss erst den Beginn einer Debatte sehen.
DGB-Chef Reiner Hoffmann sagte dem "Tagesspiegel" (Sonntag): "Ich hoffe nicht, dass eine Koalition für Besserverdienende entsteht." Wenn man wirksame Antworten auf Rechtspopulisten geben wolle, sei "Sicherheit auf dem Arbeitsmarkt und in den Sozialsystemen oberstes Gebot".
Die Schwerpunkt-Themen Flucht, Migration und Integration sollen in einer kleinen Sondierungsrunde am Donnerstag beraten werden. Dann wird es auch um die Themen Klima, Umwelt, Energie, Bildung, Forschung und Digitales gehen. Die große Runde der mehr als 50 Unterhändler soll sich am 30. Oktober wieder treffen. CDU-Generalsekretär Peter Tauber kündigte auf Youtube an, die Union wolle bei den zwölf Themenblöcken "Anfang November ungefähr wissen, wo wir stehen, um dann in eine zweite Runde zu gehen".
FDP-Fraktionsvize Alexander Graf Lambsdorff machte in der "Passauer Neuen Presse" deutlich, dass die FDP keine Eile habe. Parteichef Lindner hatte der Deutschen Presse-Agentur nach Ende der ersten Sondierung gesagt: "Man musste zwischen den Zeilen lesen, um für die vertieften Debatten neue Ideen zu gewinnen. Aber immerhin ist nun der Klärungsprozess in Gang gekommen, der jetzt Tempo aufnehmen darf."/bk/rm/seb/DP/he
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