FRANKFURT (Dow Jones)--Zum Auftakt der heißen Phase der Sondierungsgespräche zur Bildung einer Jamaika-Koalition hat Grünen-Chef Cem Özdemir die starre Haltung der Verhandlungspartner aus Union und FDP beklagt. "Die Ergebnisse genügen bei weitem nicht", sagte Özdemir der Bild am Sonntag. "Bei Europa-, Außen- und Innenpolitik, beim bezahlbaren Wohnen, bei guter Arbeit, der Verkehrs- und Agrarwende spüren wir keinerlei Entgegenkommen." Auch andere Grüne forderten die Vertreter der anderen Parteien am Wochenende auf, sich zu bewegen.
Die Jamaika-Sondierungsgespräche stehen vor der "Woche der Entscheidung", wie es Unions-Fraktionsgeschäftsführer Michael Grosse-Brömer formulierte. In deren Verlauf soll die Entscheidung stehen, ob Koalitionsgespräche möglich sind oder nicht.
Der Bild am Sonntag sagte Grosse-Brömer "Es kommt jetzt die Zeit der notwendigen Kompromisse." CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt sieht eine Chance für Jamaika. "Ganz oben auf der Liste steht für mich eine klare Begrenzung der Zuwanderung, mehr Sicherheit für alle, eine echte Entlastung für Familien. Wenn das passt, können wir weitermachen."
FDP-Vize Wolfgang Kubicki rückt unterdessen von seiner skeptischen Haltung ab. Derselben Zeitung sagte er: "Mein Kopf sagt nach wie vor: Nein das funktioniert nicht. Die Positionen sind zu unterschiedlich. Aber seit zwei Tagen sagt mir mein Gefühl plötzlich: Ja, es könnte was werden. Und mein Gefühl hat mich noch nie getäuscht."
Auch der stellvertretende CDU-Vorsitzende Armin Laschet sieht ein eventuelles Jamaika-Bündnis weiterhin grundsätzlich positiv. Laschet sagte der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung (FAS): "Ein Bündnis von Union, Grünen und FDP als eine Regierung der liberalen, ökologischen, sozialen und wirtschaftlichen Mitte, das hat schon einen kulturellen Reiz in einem Parlament mit extremeren Rändern links und rechts. Allerdings habe ich mir die Verhandlungen für eine solche Verbindung leichter vorgestellt, als sie tatsächlich sind." Den Verlauf der Gespräche in der vergangenen Woche beschreibt Laschet dennoch grundsätzlich positiv.
Entgegengesetzt äußern sich neben Özdemir andere Spitzengrüne. "Diese Woche war für uns ernüchternd", sagte Jürgen Trittin dem Tagesspiegel. Katrin Göring-Eckardt sagte der FAS: "Union und FDP haben unser Angebot, Brücken zu bauen, noch nicht erwidert. Das war einer konstruktiven Arbeit in dieser Woche nicht zuträglich. Der Druck auf alle, in den verbleibenden fünf Tagen zusammenzukommen, wächst und erschwert einen positiven Abschluss." Parteichefin Simone Peter sagte: "Die Zielgerade sehe ich noch nicht, der Weg ist noch weit, die Liste der Dissenspunkte lang. Ich erwarte, dass wir bis Ende nächster Woche ein gemeinsames Sondierungs-Papier haben, aus dem man erkennen kann, ob es für Koalitionsgespräche ein stabiles Fundament gibt, oder nicht."
Die FDP tritt derweil dem Eindruck entgegen, nur die Grünen machten Kompromiss-Angebote. Der Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Fraktion, Marco Buschmann, sagte ebenfalls der FAS: "Das ist eine klassische Wahrnehmungsverzerrung. Jeder sieht nur, was er selbst für die Verhandlungen tut." Im übrigen habe es zum Verlauf der Gespräche in den vorigen Wochen "teilweise überzogene Erwartungshaltungen" gegeben. "Dabei kommen wir nach der Stoffsammlung und der fachlichen Verdichtung erst jetzt in die Phase der eigentlichen politischen Verhandlungen."
Am Sonntagabend wollen zunächst die Parteivorsitzenden an einem geheimen Ort über die bisher erzielten Ergebnisse beraten. Unter anderem soll versucht werden, einen Kompromiss in der Flüchtlingsfrage zu finden.
Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter kündigte bei diesem Thema Zugeständnisse an. "Wir sind zu Kompromissen in der Flüchtlingspolitik bereit. Unsere Maxime lautet jedoch: Ordnung und Humanität - beides muss zusammenkommen", sagte Hofreiter dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.
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November 12, 2017 05:37 ET (10:37 GMT)
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