Von Christian Grimm und Stefan Lange
BERLIN (Dow Jones)--Bei seinem Besuch der CSU-Klausurtagung in Kloster Seeon hat Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban Bayern den Schutz vor einer Flüchtlingswelle versprochen. "Betrachten Sie mich nach wie vor als ihren Grenzschutzkapitän", sagte Orban nach dem Treffen. Wenn Ungarn seine Grenze bewache, "schützen wir auch Bayern".
Die CSU hatte den umstrittenen Politiker zu ihrem traditionellen Jahresauftakttreffen eingeladen. Die Partei will nach dem Debakel der Bundestagswahl und dem Aufstieg der AfD ihr konservatives Profil schärfen und die Zuwanderung reduzieren. Die Einladung Orbans war ein Signal, dass es die CSU ernst meint mit ihrer Forderung nach einer Obergrenze für Flüchtlinge und der Aussetzung des Familiennachzugs. Im Herbst wird ein neuer Landtag gewählt, und die Christsozialen bangen um ihre absolute Mehrheit.
Orban verteidigte seinen viel gescholtenen Kurs in der Flüchtlingspolitik damit, dem Willen des Volkes zu folgen. "Der Wille des Volkes ist eindeutig. Sie wollen nicht unter Terrorgefährdung leben", betonte der Regierungschef aus Budapest.
Der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer erklärte, Orban stehe "zweifelsfrei auf einem rechtsstaatlichen Boden". Ohne das Wort "Flüchtlinge" dabei in den Mund zu nehmen, sprach Seehofer von einem bevorstehenden "gewaltigen Zukunftsprojekt" für Europa, das nur gemeinsam gelöst werden könne.
Bayern will sich nach Osteuropa wenden
Seehofer kündigte auch mit Blick auf die Wirtschaft ein "mitteleuropäisches Bündnis" an. Ziel der Initiative sei eine noch bessere und engere Zusammenarbeit den mitteleuropäischen Staaten, "und Ungarn wird dazu gehören", wie der CSU-Chef erklärte. Er persönlich werde diese Initiative organisieren, sagte Seehofer. Der CSU-Chef begründete die Initiative auch damit, dass Bayern zu Ungarn stärkere Wirtschaftsbeziehungen pflege als etwa zu Frankreich.
Zuvor hatte CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt bereits die ungarische Wirtschaftskraft gelobt. Das Land profitiert dabei allerdings vermutlich in hohem Maße von den Finanztransfers der EU. Seit dem EU-Beitritt am 1. Mai 2004 hat Ungarn (bis 2016) nach Berechnungen seiner Auslandshandelskammer rund 48 Milliarden Euro von der Europäischen Union erhalten und etwas mehr als 10 Milliarden Euro in die EU-Kasse eingezahlt, wie Germany Trade und Invest mitteilte. Im Förderzeitraum 2014 bis 2020 sind Ungarn aus dem EU-Haushalt demnach insgesamt 35,5 Milliarden Euro zugesagt worden.
Orbans Auftritt wurde von der SPD vor den anstehenden Sondierungen als Affront gewertet. Bei seinem Besuch in Bayern erteilte er gleichzeitig den von den Sozialdemokraten unterstützten Reformvorschlägen für Europa eine Absage. "Man kann nicht vom Geld anderer leben. Wir unterstützen keine Reformen, wenn nationale Verantwortung durch europäische Verantwortungslosigkeit abgelöst wird", sagte der 54-Jährige. Die CSU ist bei den maßgeblich in Frankreich formulierten Vorschlägen für eine Vertiefung der europäischen Integration ebenfalls skeptisch.
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January 05, 2018 10:55 ET (15:55 GMT)
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