FRANKFURT (DEUTSCHE-BOERSE AG) - 15. Februar 2018. Die Kursturbulenzen zogen auch Aktien aufstrebender Länder in Mitleidenschaft. Viele Analysten vermuten dahinter eine vorübergehende Schwäche.
Vielversprechende Aussichten für die Weltwirtschaft bringen auch Unternehmen in den BRIC-Staaten voran. Zwar können sich Aktien aus Brasilien, Russland, Indien und China der aktuellen Marktschwäche nicht entziehen. Viele Analysten betrachten die jüngste Entwicklung aber lediglich als Korrektur und nicht als Trendwende.
Der stärkere Preisdruck in den USA und die damit verbundene Erwartung schneller steigender Leitzinsen als bislang gedacht wird nach Ansicht von Michael Arras zwar grundsätzlich die Nervosität und damit die Volatilität am Markt erhöhen. Der Händler der Oddo Seydler Bank rechnet dennoch auf mittlere Sicht mit weiter anziehenden Aktiennotierungen sowohl in Industrienationen als auch Schwellenländern. Die Zinswende werde in den Vereinigten Staaten eher in Trippelschritten erfolgen. "Zudem sind Emerging Markets-Aktien immer noch vergleichsweise günstig."
Risiken sind überschaubar
Neben der absehbaren geldpolitischen Straffung ist für die DekaBank die Unberechenbarkeit von US-Präsident Trump ein Risikofaktor. "Die Sorge, dass höhere US-Zinsen zu Kapitalabflüssen aus Schwellenländern führen, könnte immer wieder auf den Märkten lasten", beschreiben die Analysten in ihrem jüngsten Report. In der Vergangenheit hätten sich Anleger nach derartigen Rückschlägen allerdings fast immer neu positioniert. Insofern hält die DekaBank auch künftig eine dauerhafte Abkehr aus den BRIC-Staaten vonseiten der Investoren für eher unwahrscheinlich.
Eine Verschlechterung der Finanzierungsbedingungen werde in den kommenden Jahren eine Herausforderung für hoch in der Kreide stehende Unternehmen. Zu systemischen Schuldenkrisen sollten die höheren Kreditzinsen vermutlich aber nicht führen, da ein Großteil der Verbindlichkeiten in lokaler Währung in den Büchern stehe.
Das Fundament stimmt
Regionale politische Fortschritte wie der Regierungswechsel etwa in Brasilien habe die Anlegerstimmung gehoben. Auf US-Dollar Basis steht der brasilianische Leitindex Bovesta verglichen mit Januar 2017 gut 38 Prozent im Plus. Seit Anfang 2018 konnte das Barometer mit einem Anstieg von 76.402 auf 83.542 Punkten um etwas über 9 Prozent zulegen. Unternehmen wie Petroleo Brasileiro - kurz Petrobras (WKN 541501) profitieren laut Arras von rund 12 Prozent höheren Ölpreisen in den vergangenen zwölf Monaten. "Parallel dazu ist es dem teilstaatlichen Öl- und Gaskonzern gelungen, die Kosten für die Förderung in den letzten Jahren von 43 auf 30 US-Dollar pro Barrel zu drücken." Die Aktie von Petrobras habe hiesigen Anlegern trotz des starken Euro seit Mitte 2017 immerhin einen Gewinn von gut 47 Prozent erwirtschaftet. Im Vergleich zu Royal Dutch Shell (WKN A0D94M) und BP (WKN 850518) spricht nach Ansicht des Händlers derzeit die günstigere Bewertung für die brasilianische Aktie. "Problematisch bleibt die weit verbreitete Korruption."
Russische Wirtschaft hinkt hinterher
Konzerne wie Rosneft (WKN A0J3N5) und Gazprom (WKN 903276) bewegen sich im selben Zeitraum unterm Strich kaum von der Stelle, wie Roland Stadler anmerkt. "Da fehlt das Vertrauen", meint der Händler der Baader Bank. Dem gegenüber stehe Lukoil (WKN A1420E) noch ganz gut da.
Mit einem Wachstum im vergangenen Jahr um geschätzte 1,5 Prozent sieht Russland wirtschaftlich im Vergleich blass aus, wie Daria Orlowa von der DekaBank begründet. Ein Blick auf die jüngsten Konjunkturindikatoren verrate, dass auch in diesem Jahr trotz gestiegener Ölpreise ein Wachstumswunder nicht zu erwarten sei. Die russische Geld- und Fiskalpolitik seien in erster Linie auf Stabilität bedacht und lieferten keine positiven Impulse für die Konjunktur. Auch blieben notwendige Reformen auf der Strecke. Ratingagenturen lobten hingegen die niedrige externe Verschuldung Russlands sowie die soliden Staatsfinanzen. Putin lege für die Budgets einen konservativen Ölpreis von 40 US-Dollar pro Fass zugrunde und wolle die Mehreinnahmen in den Öl-Fonds stecken.
Wachstumsmotor Indien
Knapp 30 Prozent seit Januar 2017, kaum verändert in diesem Jahr: Das ist die Bilanz des Sensex. Aktien von Unternehmen wie die State Bank of India (WKN 903136) und der ICICI Bank (WKN 936793) seien parallel zum Markteinbruch in den Industrienationen unter Druck geraten. Die indische Wirtschaft entwickelt sich Stadler zufolge dennoch recht gut. Analysten prognostizieren eine Steigerung des Bruttoinlandsprodukts von 7,4 Prozent in diesem Jahr, gefolgt von 7,6 Prozent in 2019. Damit dürfte Indien auf absehbare Zeit die wachstumsstärkste aller großen Volkswirtschaften sein, wie Janis Hübner von der DekaBank erwartet. Dies ändere jedoch nichts an den grundlegenden Problemen des Landes. Es gebe nach wir vor große Mängel in der Infrastruktur, im Bildungswesen und in der öffentlichen Verwaltung. Die Regierung zeige sich zwar wirtschaftsfreundlich, gleichzeitig halte die Investitionsschwäche an. Der gegenwärtige politische Kurs spreche dafür, dass religiöse Spannungen in den kommenden Jahren zunehmen könnten.
von Iris Merker 15. Februar 2018, © Deutsche Börse AG
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