Von Andreas Kißler
WASHINGTON (Dow Jones)--Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) hat in einer Rede in Washington Handelsprotektionismus verurteilt und an die US-Regierung appelliert, einen Kurs zur Stärkung multilateraler Vereinbarungen mitzutragen. "Die Geschichte hat uns gezeigt, dass egal, wie schwierig die Frage, die Antwort nie in Isolation und einer Rückkehr zu Nationalismus zu finden war", sagte Scholz in seiner Rede beim German Marshall Fund in Washington laut Manuskript.
"Protektionismus hat nie irgendeiner Seite genützt", erinnerte er die US-Regierung in dem auf Englisch gehaltenen Vortrag. "Die nationale Route war nie die richtige - im Gegenteil." Mehr denn je müsse deshalb jetzt der multilaterale Ansatz gestärkt werden. "Zusammen müssen wir Modelle für die Globalisierung entwickeln und fördern, die Freiheit, allgemeinen Wohlstand und demokratisch vereinbarte Standards fördern", verlangte Scholz.
Internationale Zusammenarbeit sei "kein Nullsummenspiel, bei dem eine Seite notwendigerweise verliert, wenn die andere prosperiert", erklärte der deutsche Vizekanzler. Für die USA sei eine starke und demokratische EU "die beste Versicherung gegen Hegemonie und Despotismus" auf der anderen Seite des Atlantiks. "Wir wollen unsere Bindungen mit den USA stärken und vertiefen, und wir wollen, dass die USA erkennen, dass eine starke, integrierte EU in ihrem eigenen Interesse ist", sagte Scholz, der nach seiner Rede mit US-Vizepräsident Mike Pence im Weißen Haus zusammenkommen wollte.
Die Liste der Gesprächsthemen dafür hat Scholz vor dem Gespräch als "lang" bezeichnet. Die USA seien ein wichtiger Verbündeter Deutschlands, und die transatlantische Partnerschaft sei ein Pfeiler deutscher Außenpolitik. Mit dem Gespräch dürfte Scholz auch den Besuch von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bei US-Präsident Donald Trump vorschattieren, der für Freitag kommender Woche geplant ist und in dessen Mittelpunkt die US-Strafzölle und die internationale Handelspolitik stehen dürften.
Investitionen zu lange vernachlässigt
In seiner Rede betonte Scholz zudem, die Globalisierung habe "sowohl Gewinner als auch Verlierer" hervorgebracht. "Der Nutzen der Globalisierung ist nicht fair geteilt worden", zeigte er sich überzeugt. Viele Menschen fühlten sich nun deshalb betrogen und zurückgelassen. Nötig sei künftig aber ein Wachstum, "das mehr Gewinner und weniger Verlierer schafft".
Die Basis dafür sah Scholz in einer soliden Fiskal- und Haushaltspolitik. Diese sei einer der Gründe, warum es Deutschland derzeit so gut gehe. "Und wir werden diese Haushaltspolitik in der neuen Regierung fortsetzen", sagte er den Diskussionsgästen in der US-Hauptstadt. Diese Politik gebe Spielraum für dringend benötigte Investitionen in Deutschland, "die für zu lange Zeit vernachlässigt wurden" - zum Beispiel bei Bildung, Infrastruktur und sozialem Wohnungsbau.
Scholz begrüßte es erneut, dass Frankreichs Präsident Emmanuel Macron Vorschläge zur Reform der Eurozone gemacht habe. "Sie erinnern uns daran, was wir gemeinsam tun müssen, was uns bindet und nicht, was uns trennt", konstatierte Scholz. Berlin wolle diese Ansichten mit Frankreich und allen anderen Partnern diskutieren, um zu sehen, "welche gemeinsame Basis gefunden werden kann, um das Leben der Bürger in Europa zu verbessern".
Als Beispiele nannte er die Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit, die Schaffung von Mehrwert im EU-Budget, die Erhöhung der Investitionskapazitäten in der Eurozone, die Bekämpfung unfairer Steuerpraktiken und die Vollendung der Bankenunion, die widerstandsfähiger gegen künftige Krisen werden müsse. "Das sind alles Fragen, die eine kooperative, konstruktive Herangehensweise in der EU erfordern", stellte der Bundesfinanzminister fest.
Kontakt zum Autor: andreas.kissler@wsj.com
DJG/ank/jhe
(END) Dow Jones Newswires
April 19, 2018 12:00 ET (16:00 GMT)
Copyright (c) 2018 Dow Jones & Company, Inc.