Nach kräftigen Verlusten in der Vorwoche sieht es für den Moment wieder besser aus. Probleme gibt es aber weiter zuhauf.
4. Juni 2018. FRANKFURT (Börse Frankfurt). Die politische Lage in Italien hat sich etwas beruhigt, Zurücklehnen ist aber noch nicht angesagt. "Zur Entwarnung besteht kein Anlass", kommentiert Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Commerzbank. Die neue Regierung in Rom werde auf Konfrontationskurs zur EU gehen.
Dazu kommt der drohende Handelskrieg zwischen der EU und den USA: Seit Freitag gelten die neuen Zölle auf Stahl- und Aluminiumlieferungen auch für die Europäische Union. Die hat wiederum Vergeltung angekündigt. In Spanien wurde Ministerpräsidenten Mariano Rajoy abgewählt, ihm folgte Sozialistenchef Pedro Sánchez. Allerdings wird davon ausgegangen, dass sich an der Wirtschafts- und Finanzpolitik des Landes nicht viel ändert.
Gute Vorgaben aus Übersee
Der DAX hat vergangene Woche 2,5 Prozent verloren und ging mit 12.724 Punkten aus dem Handel, am Montagmorgen sind es 12.766 Zähler und damit leicht im Plus. Rückenwind kommt aus den USA: In New York verbuchten die großen Indizes am Freitag deutliche Gewinne, so legte der Dow Jones um 0,9 Prozent auf 24.635,21 Punkte zu. Grund war neben der vorläufigen Entspannung in Italien auch ein guter US-Arbeitsmarktbericht. Die am Freitag veröffentlichten Zahlen zeigten, dass die US-Wirtschaft mehr Arbeitsplätze als erwartet geschaffen hat, zudem stiegen die Löhne und Gehälter stärker als gedacht.
Keine Eurokrise 2.0
Nach Ansicht von Johannes Flieckenschildt von der Weberbank ist es trotz aller Sorgen vorschnell, die nächste Eurokrise auszurufen. "Zum einen sind die Sorgen der Finanzmärkte derzeit hauptsächlich auf Italien konzentriert", erklärt der Portfoliomanager. Zum anderen sollte der Möglichkeitsrahmen der EZB nicht unterschätzt werden, denn die habe auch in der Vergangenheit die Finanzmärkte beruhigen können. Die Bank hält derzeit US-Unternehmen für eher hoch bewertet, anders sehe es in Europa aus. Ein Grund für die niedrigere Bewertung europäischer Unternehmen sei aber, dass die fundamentale Verfassung nicht mit der der amerikanischen Pendants mithalten könne. "Deswegen sehen wir es im aktuellen Umfeld als sinnvoll an, ein wenig die Handbremse anzuziehen und bei der Aktienauswahl sehr selektiv vorzugehen."
Weitere Schwankungen erwartet
Heinz-Gerd Sonnenschein von der Postbank verweist auf die hohen Schwankungen im DAX und Euro Stoxx in den ersten fünf Monaten dieses Jahres. "Zwar wird sich die volatile Börsenfahrt im weiteren Jahresverlauf fortsetzen, wir sind für die Kursentwicklung auf Jahressicht dennoch zuversichtlich", erklärt der Analyst. Er geht davon aus, dass die Marktteilnehmer lernen werden, mit der ungewohnten Art und Weise von Donald Trump umzugehen. Zudem würden steigende Renditen - wie schon oft in der Vergangenheit - ihren Schrecken verlieren. "Fundamental ist die Welt unverändert in Ordnung." DAX, Euro Stoxx, Topix und S&P 500 dürften daher 2018 und 2019 mit steigenden Gewinnen aufwarten. Den DAX sieht die Bank in zwölf Monaten bei 13.900 bis 14.100 Punkten, den S&P 500 bei 2.850 bis 2.950 Zählern.
"Gravestone Doji" als Warnzeichen
Von der Charttechnik kommen unterschiedliche Signale: Christian Schmidt von der Helaba weist darauf hin, dass der DAX mit einem deutlich unterhalb des Tageshochs notierenden Schlusskurs einerseits an der 144er-Durchschnittslinie bei 12.776 Punkten und andererseits am viel beachteten 200-Tagedurchschnitt bei 12.734 gescheitert ist. "Es ist davon auszugehen, dass die genannten Levels auch in den kommenden Tagen eine wichtige Rolle spielen werden", erläutert der Charttechniker. Bemerkenswert sei auch, dass die Kerze für den Monat Mai nahezu einem idealtypischen "Gravestone Doji" entsprochen habe. "Derartige Candles sollten, wie der Name bereits verdeutlicht, als Warnsignal durchaus ernst genommen werden, zumal verschiedene Indikatoren ebenfalls Schwächeanzeichen signalisieren."
SchmidtSchmidt
Chance auf Erholung
Nach Einschätzung der Société Générale hat sich das Chartbild mit dem Tagesgewinn am Freitag wieder etwas aufgehellt, mit seinem Schlusskurs habe der DAX wieder Kontakt zur 200-Tage-Linie bei aktuell 12.734 Zählern aufgenommen. Schließe der Index jetzt direkt die offene Kurslücke zwischen 12.803 und 12.828 und überwinde danach die untere Begrenzung der November-Seitwärtsrange, könne sich die Erholung bis in den Bereich des alten 2017er-Junihochs bei 12.952 fortsetzen. "Noch ist das bullishe Gebilde aber ausgesprochen instabil", heißt es. Wichtige Marken nach unten lägen bei 12.600, 12.450 und 12.365 Punkten. "Noch eine Etage tiefer könnte es in der Folge sogar zu einem neuerlichen Test der 12.200er-Marke kommen."
Wichtige Konjunktur- und Wirtschaftsdaten
Dienstag, 5. Juni
Arbeitskreis Aktienindizes: Planmäßige Überprüfung der Indexzusammensetzungen der DAX-Familie.
16.00 Uhr. USA: ISM-Index Dienstleistungen Mai. In den USA laufen die Geschäfte in den Branchen außerhalb des verarbeitenden Gewerbes weiterhin sehr gut, erklärt die Commerzbank. Die Analysten erwarten einen wenig veränderten ISM-Index von 57 nach 56,8 Punkten (Konsens 58,0).
Donnerstag, 7. Juni
8.00 Uhr. Deutschland: Auftragseingänge Industrie April. Die April-Zahlen werden nach Ansicht der Commerzbank zeigen, dass der Durchhänger in der Industrie noch nicht zu Ende ist. Die Bank geht davon aus, dass es bei den Auftragseingängen im April keine Gegenbewegung zum Rückgang der vergangenen Monate gab.
Freitag, 8. Juni
8.00 Uhr. Deutschland: Industrieproduktion April. Die DekaBank rechnet nur mit einem schwachen Plus bei der Nettoproduktion in Deutschland. Sowohl die Auftragseingänge als auch die Industrieumsätze hätten sich in Deutschland seit Jahresanfang nur enttäuschend entwickelt.
Von: Anna-Maria Borse
4. Juni 2018, © Deutsche Börse AG
(Für den Inhalt der Kolumne ist allein Deutsche Börse AG verantwortlich. Die Beiträge sind keine Aufforderung zum Kauf und Verkauf von Wertpapieren oder anderen Vermögenswerten.)
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