
BERLIN (Dow Jones)--Die SPD hat die Empfehlung von 9,19 Euro Mindestlohn durch die dafür eingesetzte Kommission begrüßt, auf längere Sicht aber weitere deutliche Erhöhungen gefordert. "Der Vorschlag der Mindestlohnkommission, den Mindestlohn von 8,84 Euro in einem ersten Schritt auf 9,19 Euro zu erhöhen, geht in die richtige Richtung", erklärte der haushaltspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Johannes Kahrs. "Wir sind aber noch nicht am Ziel. Perspektivisch halten wir Sozialdemokraten 12 Euro für richtig."
Gute Arbeit müsse anständig bezahlt werden. "Hungerlöhne darf es in einem reichen Land wie Deutschland nicht geben", betonte Kahrs. Mit der Einführung des gesetzlichen Mindestlohns in der letzten Wahlperiode habe die SPD dafür gesorgt, dass mehrere Millionen Menschen mehr verdienen als vorher. Damit Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nicht beschummelt und unter Druck gesetzt würden, überwache die Zollverwaltung die Einhaltung des Mindestlohns. Der Zoll erhalte deshalb allein im Haushaltsjahr 2018 noch einmal 1.400 neue Personalstellen.
Die Linke übte aber deutliche Kritik. "Trotz der geplanten Erhöhung bleibt der Mindestlohn ein Mangellohn", sagte Fraktionsvize Susanne Ferschl. Der Mindestlohn sei von Anfang an zu niedrig angesetzt gewesen, und die Regeln für die Anhebung sorgten dafür, dass er es auch bleibe. Erwerbs- und Altersarmut würden damit zementiert. "Das ist der grundlegende, politisch gewollte Konstruktionsfehler, den auch die Mindestlohnkommission nicht korrigieren kann", betonte Ferschl. Die Linke fordere, den Mindestlohn auf mindestens 12 Euro zu erhöhen und sämtliche Ausnahmeregelungen abzuschaffen. "Außerdem brauchen wir mehr Personal zur Mindestlohnkontrolle", meinte Ferschl.
Durch die Einführung des Mindestlohns im Jahr 2015 seien "Stundenlöhne im unteren Lohnsegment deutlich gewachsen", analysierte das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW). "Die angekündigte Erhöhung in zwei Stufen dürfte den Stundenlöhnen in den kommenden Jahren einen zusätzlichen Schub geben", erwartete DIW-Expertin Alexandra Fedorets. Allerdings zeigten Analysen, dass das Mindestlohngesetz nicht überall eingehalten werde. Eine höhere Kontrollintensität sowie verschärfte Aufzeichnungspflichten könnten dem entgegenwirken, schlug sie vor.
Die Mindestlohnkommission hatte empfohlen, den Minimalverdienst (brutto) ab Jahresbeginn von jetzt 8,84 Euro auf 9,19 Euro pro Stunde zu steigern. Zum 1. Januar 2020 sollte nach Einschätzung der Fachleute eine zweite Erhöhung auf 9,35 Euro folgen. Die gesetzliche Lohnuntergrenze wurde 2015 eingeführt und soll die Beschäftigten vor Ausbeutung und Armut schützen. Gleichzeitig ist es Aufgabe der Kommission, die richtige Höhe auszutarieren, damit Beschäftigung nicht gefährdet wird. Die Steigerung des Mindestlohns orientiert sich an der Tarifentwicklung in der Wirtschaft.
(Mitarbeit: Christian Grimm)
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June 26, 2018 08:55 ET (12:55 GMT)
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