Abermals hat sich vor allem die Stimmung der institutionellen Anleger
teilweise recht deutlich um 180 Grad, vom Negativen ins Positive gedreht.
Allerdings oft nicht ohne Kosten.
Donald Trump ist in die Heimat zurückgekehrt, und auch an den Schrecken
eines drohenden Handelskriegs zwischen den USA und dem Rest der Welt
scheinen sich die Finanzmarktteilnehmer mittlerweile gewöhnt zu haben.
Dessen Folgen würden sich ohnehin erst in einigen Wochen, wenn nicht
Monaten, zeigen. Gleichwohl dürfte das Motiv für die jüngsten
Aktienrückkäufe nicht zwingend in neuem Optimismus zu suchen sein. Vielmehr
wurden mancherorts Engagements ganz einfach nur diszipliniert glattgestellt,
um angesichts des davonzulaufen drohenden Aktienmarktes nicht noch größere
Verluste in Kauf nehmen zu müssen. Mit anderen Worten: Die vor einer Woche
erkennbar gewordene Risikoaversion vieler Börsianer und die damit
verbundenen Absicherungen haben sich oft nicht ausgezahlt.
18. Juli 2018. Es mag viele Akteure gegeben haben, die sich noch in der
vergangenen Woche gegen drohendes Ungemach abgesichert haben. Nun ist US-
Präsident Donald Trump von seiner Reise nach Europa, Großbritannien und
zuletzt Helsinki in die USA zurückgekehrt, ohne zumindest neuen ökonomischen
Schaden angerichtet zu haben. Überhaupt war es erstaunlich, wie wenig die
Finanzmärkte auf ebenso befremdliche wie bedrohliche Auslassungen Trumps
("die EU ist ein Gegner") reagiert haben. Und auch die Angst vor einem
eskalierenden Handelsstreit scheinen nicht nur Börsianer, sondern auch
Notenbanker ausgeblenden bzw. herunterzuspielen zu werden. Dies zeigte etwa
die Haltung von Fed-Chef Jerome Powell bei der gestrigen Anhörung des
Bankenausschusses des US-Senats: Zu den Wachstumsaussichten - bei
gleichzeitig moderater Inflation - äußerte er sich ausgesprochen
optimistisch. Allerdings zeigt die jüngste BofA Merrill Lynch-Umfrage unter
internationalen Fondsmanagern, dass 60 Prozent der Befragten in einer
drohenden Eskalation des Handelsstreits zwischen den USA und dem Rest der
Welt das größte Extremrisiko für die Finanzmärkte sehen. Dieser Wert ist
deswegen so dramatisch, weil es sich um den höchsten Prozentsatz seit der
EU-Schuldenkrise im Juli 2012 handelt. Dennoch: Die Fondsmanager-Umfrage
endete bereits am 12. Juli, zu einem Zeitpunkt, als das Handelskrieg-Thema
noch bei vielen Akteuren viel präsenter als heute war. Denn es ist gerade
erst eine Woche her, dass Donald Trump mit der Ankündigung der Besteuerung
weiterer China-Importe in einem Volumen von 200 Milliarden US-Dollar mit
einer früheren Drohung ernst gemacht hat.
Die mittelfristig orientierten Marktteilnehmer zeigten sich bei der
Befragung der vergangenen Woche noch risikoavers. Das Ergebnis unserer
heutigen Sentiment-Umfrage zeigt: Die Risikoaversion ist offenbar wieder
verschwunden.
Denn der Optimismus ist fast wieder in vollem Umfang zurückgekehrt. Denn
gemessen an unserem Börse Frankfurt Sentiment-Index, ist er um 24 Punkte auf
einen Stand von +15 gesprungen. Allerdings erfolgten die damit verbundenen
Aktienrückkäufe häufig nicht ohne Kosten. Denn der DAX hatte seit unserer
vergangenen Befragung gerade einmal 50 Punkte niedriger notiert, bevor er
eine satte Aufwärtsbewegung begann, die alleine stichtagsbezogen einen
Gewinn von 2,4 Prozent zeitigte. Und der Kursverlauf ohne größere Rücksetzer
vermittelt, dass es sich um eine kleine Kapitulation der Bären aus der
Vorwoche gehandelt haben dürfte.
Zögerliche Privatanleger
Auch bei den Privatanlegern hat es Rückkäufe gegeben, denn der Börse
Frankfurt Sentiment-Index dieses Panels ist ebenfalls gestiegen, allerdings
nur um 9 Punkte auf einen Stand von nunmehr +1. Immerhin ist das während der
vergangenen vier Wochen teils große Bärenlager aufgrund der ungünstigen
Einstandspreise etwas zögerlich und lediglich um 6 Prozentpunkte
geschrumpft. Dabei konnten sich die ehemaligen Pessimisten nur teilweise zu
neuen bullishen Engagements entscheiden.
Die Stimmungsentwicklung zeigt per Saldo, dass der DAX für viele Akteure
unerwartet Flügel bekommen hat. Immerhin war die Bereitschaft recht groß,
sich von verlustbringenden Short-Positionen bzw. Absicherungen schnell und
diszipliniert zu trennen, weswegen die jüngste Kursrallye Zeichen einer
Shortsqueeze aufweist. Am Ende ist der Optimismus bei den institutionellen
Anlegern nun etwas deutlicher ausgeprägt als bei den privaten Pendants. Im
großen Ganzen etwa auf dem Stand von vor zwei Wochen, wobei der DAX
allerdings damals zum Erhebungszeitpunkt mit 12.320 Zählern erheblich
niedriger notierte. In der relativen Drei- bzw. Sechs-Monatsbetrachtung ist
der Optimismus von heute allerdings nicht als besonders ausgeprägt zu
bezeichnen. Allerdings droht das Börsenbarometer etwas Sand ins Getriebe zu
bekommen, denn die neuen bullishen Akteure werden schon bald Kasse machen
wollen.
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DAX (Veränderung zu vergangener Woche): 12.750 (+300 Pkt.)
Börse Frankfurt Sentiment-Index
Institutionelle Anleger: +15 Punkte (Stand Vorwoche: -9 Punkte)
Private Anleger: +1 Punkte (Stand Vorwoche: -8 Punkte)
18. Juli 2018, © Goldberg & Goldberg für boerse-frankfurt.de
Über den Börse Frankfurt Sentiment-Index
Der Börse Frankfurt Sentiment-Index bewegt sich zwischen -100 (totaler
Pessimismus) und +100 (totaler Optimismus), der Übergang von positiven in
negative Werte markiert die neutrale Linie. Die Werte des früheren
Cognitrend Bull/Bear-Index sind auf die neue Skalierung umgerechnet worden.
(Für den Inhalt der Kolumne ist allein Deutsche Börse AG verantwortlich. Die Beiträge sind keine Aufforderung zum Kauf und Verkauf von Wertpapieren oder anderen Vermögenswerten.)
AXC0228 2018-07-18/16:21