
Von Andreas Plecko
FRANKFURT (Dow Jones)--Die Europäische Zentralbank (EZB) hat bei der Ratssitzung im Juni ihren geldpolitischen Pfad bis Mitte 2019 in groben Zügen skizziert. Bei dem Treffen am Donnerstag erwarten Beobachter deshalb keine großen Beschlüsse oder Ankündigungen, sie hoffen allerdings auf einige Feinjustierungen in der Kommunikation. Denn über die bisherigen Aussagen der EZB zur künftigen Geldpolitik gibt einiges Rätselraten. Beobachter hoffen auf eine Klarstellung, aber die EZB wird sich vermutlich ihre Optionen offen halten wollen und nur ihr Statement vom Juni wiederholen.
"Der EZB-Rat geht davon aus, dass die EZB-Leitzinsen mindestens über den Sommer 2019 auf ihrem aktuellen Niveau bleiben werden", hatten die Währungshüter in Aussicht gestellt. Damit versuchte die EZB, den Märkten eine Orientierung zu geben, sorgte aber für einige Verwirrung, denn Börsianer fragen sich, wie das genau zu verstehen ist.
Die Formulierung "mindestens über den Sommer" ist etwas schwammig und lässt einigen Interpretationsspielraum offen. Und es könnte sogar bedeuten, dass eine erste Zinserhöhung erst Ende 2019 ansteht. Während die Finanzwelt heftig über den Zeitpunkt der ersten Zinserhöhung nach der Finanzkrise spekuliert, scheint selbst innerhalb der Behörde Uneinigkeit darüber zu herrschen.
Einige Mitglieder des EZB-Rats fänden eine erste Zinserhöhung erst Ende 2019 zu spät, wie aus einem Agenturbericht verlautete. Wie Bloomberg unter Berufung auf mehrere unterrichtete Personen meldete, wird eine Zinserhöhung schon im September oder Oktober 2019 durchaus für möglich gehalten. Am Geldmarkt ist derzeit eine Zinserhöhung um 10 Basispunkte erst für Dezember 2019 eingepreist.
Stefan Bielmeier, Chefökonom der DZ Bank, warf der EZB vor, mit der Verschiebung einer möglichen Zinserhöhung "weit in die Zukunft" einen "strategischen Fehler" gemacht zu haben. Er fürchtet, dass sich die Wachstumsdynamik im Laufe des Jahres 2019 abschwächt - und die EZB damit den richtigen Zeitpunkt für die Anhebung verpasst. Der EZB-Rat hatte im Juni außerdem beschlossen, das Monatsvolumen seiner Nettoanleihekäufe ab Oktober auf 15 Milliarden Euro zu halbieren und die Nettokäufe am Jahresende ganz einzustellen.
Ifo-Geschäftsklima, Kreditvergabe und Einkäuferindizes
Vor der EZB-Ratssitzung am Donnerstag wird das Ifo-Geschäftsklima für Juli am Mittwoch die Aufmerksamkeit der Börsianer auf sich ziehen. Die EZB ist immer noch dabei, ihr Urteil darüber zu fällen, ob die Konjunkturschwäche in der Eurozone nur vorübergehender Natur ist oder länger anhalten wird. Deshalb ist der Ifo-Index von erhöhter Bedeutung. Zeitgleich mit dem Ifo-Index veröffentlicht die EZB am Mittwoch ihren Bericht zur Geldmenge M3 und zur Kreditvergabe im Juni. Am Donnerstag wird das GfK-Konsumklima für Deutschland veröffentlicht.
Auch den Einkaufsmanagerindizes zu Industrie und Dienstleistern in Deutschland und der Eurozone werden die Marktakteure am Dienstag die gebührende Beachtung schenken. Ebenfalls am Dienstag kommt von der EZB der Quartalsbericht zur Kreditvergabe. Die EZB befragt in ihrem "Bank Lending Survey" alle drei Monate Finanzinstitute im Währungsraum nach ihrer Kreditangebotspolitik. Bei der vorherigen Befragung hatte sich gezeigt, dass die Banken ihre Standards für Unternehmenskredite spürbar gelockert haben.
Am Dienstag tagt die türkische Zentralbank, die in den vergangenen Monaten versucht hat, mit Zinserhöhungen die Lira zu stabilisieren und die hohe Inflation einzudämmen. Doch Präsident Recep Tayyip Erdogan drängt die Zentralbank immer wieder, die Zinsen nicht zu erhöhen. Inzwischen hat er sich per Dekret mehr Macht über die Zentralbank verschafft.
Aus den USA stehen in dieser Woche nur wenige Konjunkturdaten von Gewicht an. Am Dienstag kommt von Markit der Einkaufsmanagerindex zu Industrie und Dienstleistern und am Freitag die erste Meldung zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) im zweiten Quartal. Auch Frankreich legt am Freitag seine BIP-Daten für das zweite Quartal vor.
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July 20, 2018 05:42 ET (09:42 GMT)
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