Mainz (ots) - Wer in jenem August 1989 im Essener Gerichtssaal Blickkontakt zum Geiselgangster Rösner hatte, mag einen winzigen Eindruck vom Irrwitz dieses Verbrechens und all seiner Begleitumständen bekommen haben. Der Mann strahlte einerseits unkontrollierbare Zerstörungsmacht aus, unfassbarerweise aber auch so etwas Ähnliches wie Kumpelhaftigkeit. Degowski dagegen wirkte immer und ausschließlich wie ein verwahrloster Vollidiot, eine Zeitbombe. War es, unter anderem, Rösners Art, die einen Tross von Journalisten anzog wie Motten das Licht? Zu einem kleinen Teil vielleicht. Zum größeren Teil war es ein vollständiges Zusammenbrechen aller professionellen und ethischen Wertmaßstäbe, was Gladbeck zum schwärzesten Tag des deutschen Journalismus der vergangenen 30 Jahre machte. Könnte so etwas genau so heute wieder geschehen? Nein. So nicht. Schlimmer. Ein "Gladbeck II" würde heute, so steht zu befürchten, in punkto Voyeurismus noch wüster ausfallen. Mit hunderten von Handys. Und vermutlich würde es wieder den leitenden Redakteur eines Boulevardblatts geben, der, um später bei "Bild" Karriere zu machen, ins Gangsterauto steigt - falls letzteres nicht von Sicherheitskräften verhindert würde. Gladbeck war, das ist bei aller berechtigten Medienschelte zu betonen, die absolute Bankrotterklärung der beteiligten Verantwortlichen bei Polizei, Staatsanwaltschaften und Politik. Ob sie daraus gelernt haben, ist bislang weder bewiesen noch widerlegt. Die Täter Degowski und Marion Löblich sind mittlerweile auf freiem Fuß, mithilfe von Steuergeld mit neuer Identität ausgestattet. Derweil sind die Familien der Ermordeten für immer zerstört.
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