
Von Hans Bentzien
FRANKFURT (Dow Jones)--Der deutsche Europa-Abgeordnete Bernd Lucke hält dem Generalanwalt des Europäischen Gerichtshofs (EuGH), Melchior Wathelet, vor, in seiner Stellungnahme zu Fragen des Bundesverfassungsgerichts zur Rechtmäßigkeit der EZB-Staatsanleihekäufen (PSPP) eine Frage der Karlsruher nicht beantwortet zu haben. "Der Generalanwalt hat die fünfte Vorlagefrage nicht beantwortet, sondern einfach für unzulässig erklärt. Aber die Frage ist wichtig: Kann der EZB-Rat die Verluste aus einer Staatsinsolvenz zu Lasten des Bundeshaushalts umverteilen?", schreibt Lucke in einem Kommentar.
Das Bundesverfassungsgericht hält laut Lucke genau diese Frage für entscheidungserheblich, weil aus einem Ausfall von Staatsanleihen unüberschaubare Risiken für den Bundeshaushalt entstehen könnten. "Damit wäre die Verfassungsidentität im Sinne von Grundgesetzartikel 79 verletzt. Dass der Generalanwalt zur Nichtbeantwortung dieser Frage rät, wird die Bedenken des Bundesverfassungsgerichts kaum ausräumen können", so Lucke.
Die Kläger gegen das Staatsanleihekaufprogramm um den Europaabgeordneten Bernd Lucke und seine Kollegen Hans-Olaf-Henkel, Joachim Starbatty, Bernd Kölmel und Ulrike Trebesius erwarten jetzt Lucke zufolge einen Konflikt zwischen Luxemburg und Karlsruhe, falls das EuGH sich die Stellungnahme des Generalanwalts zu eigen macht.
Allerdings hatte das Karlsruher Verfassungsgericht solche Erwartungen bereits 2016 mit seinem Urteil zu Verfassungsbeschwerden gegen Outright Monetary Transactions (OMT) enttäuscht. Die Frage, was genau mit Verlusten für nationale Zentralbanken durch den Ausfall von Euro-Staaten geschieht, ist noch offen. Sollte es zu Verlusten kommen, würde das zunächst den Bundesbank-Gewinn mindern. Die Bundesbank könnte dann einige Zeit keinen Gewinn mehr an das Finanzministerium überweisen.
Hohe Verluste könnten zudem das Eigenkapital der Bundesbank übersteigen. Es ist aber nicht klar, ob die Zentralbank das Finanzministerium dann zu einer Rekapitalisierung auffordern würde. Ende 2017 verfügte die Bundesbank über Grundkapital und Rücklagen von 5,6 Milliarden Euro und über Rückstellungen von 23,5 Milliarden. Zudem verfügt sie über Goldreserven von 117 Milliarden Euro.
Generalanwalt Wathelet hatte dem EuGH am Morgen vorgeschlagen, dem Bundesverfassungsgericht zu antworten, dass die Prüfung nichts ergeben habe, was die Gültigkeit des EZB-Beschlusses beeinträchtigen könnte. Wathelet sieht im PSPP weder einen Verstoß gegen das Verbot der monetären Staatsfinanzierung, noch einen Anreiz für eine ungesunde Haushaltspolitik der Staaten, noch hält er Umfang oder Dauer für übertrieben.
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October 04, 2018 10:33 ET (14:33 GMT)
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