Viele europäische Aktien mit Kurszuwächsen in diesem Jahr gibt es nicht. Positiv ab hebt sich die Öl- und Gasbranche, die vom hohen Ölpreis profitiert.
11. Oktober 2018. FRANKFURT (Börse Frankfurt). Trotz deutlichem Preisrücksetzer in dieser Woche: Gegenüber Februar ist der Ölpreis immer noch um rund ein Drittel gestiegen, vergangene Woche wurde mit 86,74 US-Dollar für ein Barrel der Nordseesorte Brent sogar ein Vierjahreshoch markiert. Noch im Sommer 2017 lag der Preis bei 45 US-Dollar, im Tief Anfang 2016 waren es weniger als 30 US-Dollar. Auslöser für den Preisanstieg sind unter anderem die ab November geltenden neuen Iran-Sanktionen der USA und Ausfälle durch die Krise in Venezuela.
Das kommt den Ölkonzernen zugute. So ist der europäische Branchenindex Stoxx Europe Oil & Gas, der die Kursentwicklung von Unternehmen wie BP, Royal Dutch Shell, ENI, OMV und vielen Ölausrüstern abbildet, seit Jahresanfang um 10,3 Prozent gestiegen. Damit hat er den marktbreiten Stoxx Europe 600 weit hinter sich gelassen, der 7 Prozent nachgegeben hat. Vor kurzem hatte der Branchenindex sogar den höchsten Stand seit Sommer 2014 erreicht.
Das Geschäft läuft wieder, die Zahlen für das zweite Quartal fielen überwiegend sehr gut aus: So berichteten Total aus Frankreich, Repsol aus Spanien, der britische-niederländische Konzern Royal Dutch Shell und Eni aus Italien über kräftig gestiegene Gewinne. Laut einer Studie der Berenberg Bank vom September haben die Ölkonzerne ihre Kosten mittlerweile so weit zurückgefahren, dass sie mit Preisen zwischen 50 und 60 US-Dollar gut zurechtkommen.
Gewinne sprudeln
Ein deutliches Kursplus verzeichnet der italienische Öl- und Energiekonzern Eni (WKN 897791), der aktuell zu 15,95 Euro gehandelt wird nach 13,88 Ende 2017. "In den vergangenen Monaten hat Eni allerdings etwas unter den Turbulenzen im Heimatland gelitten", stellt Roland Stadler von der Baader Bank fest. Eni hatte für das zweite Quartal einen deutlichen Gewinnanstieg berichtet: Der bereinigte Nettogewinn erhöhte sich um 66 Prozent auf 767 Millionen Euro.
Seit dem Ölpreistief Anfang 2016 stark verteuert hat sich auch Royal Dutch Shell (WKN A0D94M), in diesem Jahr tritt der Kurs aber mehr oder weniger auf der Stelle, wie Michal Arras von Oddo Seydler bemerkt. Der bereinigte Gewinn im zweiten Quartal war zwar klar gestiegen, Analysten hatten aber noch mehr erwartet. Gut an kam dagegen die Ankündigung eines Aktienrückkaufs im Volumen von bis zu 25 Milliarden US-Dollar.
Die BP-Aktie in Euro (WKN 850517), hier ist die Baader Bank Spezialist, hat immerhin seit Jahresanfang noch um 8 Prozent zugelegt. Der bereinigte Gewinn vervierfachte sich im abgelaufenen Quartal, BP konnte erstmals seit vier Jahren die Dividende erhöhen. Der österreichische Ölkonzern OMV muss in diesem Jahr allerdings Kursverluste hinnehmen. OMV meldete für das zweite Quartal eine sinkende Fördermenge und weniger Gewinn, die Wartung der Raffinerie Petrobrazi in Rumänien belastete das Geschäft. "Die Marge im Raffineriegeschäft ist aber gestiegen", bemerkt Stadler.
Lukoil mit Kursplus von 31ŽProzent
Auch außerhalb Europas gibt es große Unterschiede: Der US-Ölkonzern Exxon Mobil (WKN 852549), Spezialist ist Oddo Seydler, hat nach einem kräftigen Kursrutsch im ersten Quartal wieder etwas zulegen können und kostet an der Börse Frankfurt aktuell 71,19 Euro und damit etwas mehr als Ende 2017. Unter den Sorgen um die Schwellenländer gelitten hat unterdessen Reliance Industries aus Indien (WKN 884241), wie Stadler bemerkt. Die Aktie des Ölkonzerns hatte sich im Sommer sehr gut entwickelt, musste die Kursgewinne aber wieder abgeben. Deutlich verteuert hat sich hingegen die Lukoil-Aktie (WKN A1420E), die ebenfalls von der Baader Bank gehandelt wird. Der Titel des russischen Ölkonzerns kostete Ende 2017 noch 48 Euro, jetzt sind es 62,74 Euro.
Ölaktien mit vielen Anhängern
Trotz der bereits kräftigen Kursgewinne raten die meisten Analysten derzeit weiter zu Ölwerten. So wird die BP-Aktie zum Beispiel von Goldman Sachs, der Deutschen Bank, HSBC, JP Morgan, Berenberg und Morgan Stanley zum Kauf empfohlen, bei Goldman Sachs steht die Aktie sogar auf der "Conviction Buy List", einer besonderen Empfehlungsliste. Auch für Royal Dutch Shell gibt es viele Kaufempfehlungen, etwa von RBC Capital Markets, UBS, Goldman und JP Morgan.
Durchwachsener ist das Bild bei Eni, neben Kaufempfehlung von Goldman Sachs, der Deutschen Bank, Credit Suisse und HSBC gibt es auch Adressen, die zum Untergewichten raten, etwa JP Morgan und Barclays. So ist Eni laut JP Morgan für die schwierige Transformationsphase in Richtung saubere Energien am schlechtesten aufgestellt.
Was den Ölpreis angeht, rechnen die meisten Analysten mit kurzfristig hohen Preisen, längerfristig aber wieder mit einem Preisrücksetzer. So hat die Commerzbank vor kurzem ihre Ölpreisprognose für Ende 2018 von 70 auf 85 US-Dollar angehoben. "Da sich der Ölmarkt im nächsten Jahr wieder entspannen dürfte, erwarten wir aber einen Preisrückgang auf 70 US-Dollar bis Ende 2019", heißt es.
von: Anna-Maria Borse
11. Oktober 2018, © Deutsche Börse AG
(Für den Inhalt der Kolumne ist allein Deutsche Börse AG verantwortlich. Die Beiträge sind keine Aufforderung zum Kauf und Verkauf von Wertpapieren oder anderen Vermögenswerten.)
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