Regensburg (ots) - Kinderarmut - das bedeutet im reichen  Deutschland nicht, dass Kinder Hunger leiden oder kein Dach über dem  Kopf haben. Und doch ist, wie der Paritätische Wohlfahrtsverband  errechnet hat, jedes fünfte Kind betroffen. Armut sieht man den  Kindern nicht auf den ersten Blick an. Sie zeigt sich an fehlender  Bildung und fehlender Teilhabe - und wird oft erst im Vergleich mit  anderen Kindern sichtbar, denen es an nichts fehlt. Wenn  Familienministerin Franziska Giffey und Sozialminister Hubertus Heil  nun mit dem "Starke-Familien-Gesetz" Kinder von Geringverdienern  stärken wollen, ist das eine gute Sache. Der Gesetzesvorschlag  enthält Reformen, die überfällig sind. Gleichwohl ist das Gesetz  nicht ganz so stark, wie der Name suggeriert. Wer die  Chancenungleichheit von Kindern wirkungsvoll bekämpfen will, muss  weitergehen. Die Kluft zwischen armen und reichen Kindern ist tief in Deutschland: Die einen gehen nicht zum Kindergeburtstag, weil die  Eltern sich kein Geschenk leisten können. Bei den anderen ist das  selbstverständlich drin, ihre Eltern finanzieren zudem  Nachhilfestunden und teure Hobbys. Noch schlimmer ist, dass "arme"  Kinder oft nicht unbeschwert groß werden. Oft haben Geringverdiener  nicht nur materiell weniger Ressourcen als Menschen mit  durchschnittlichem Einkommen: Es fehlt an Unterstützung aus dem  persönlichen Umfeld, an formaler Bildung, am Gefühl innerer Stärke.  Sicher, nicht alles ist mit Geld zu richten. Doch Schilderungen von  Betroffenen unter dem Hashtag unten zeigen eindrucksvoll, wie stark  sich Armut auf das Selbstwertgefühl auswirkt. Soziale Abwertung von  Menschen mit wenig Geld ist alltäglich. Wenn Eltern sich abgewertet  fühlen, spüren Kinder das. Das "Starke-Familien-Gesetz" schlägt da  den richtigen Weg ein. Es reduziert Bürokratie. Das hilft, dass  Menschen sich weniger gegängelt fühlen, wenn sie nicht wegen jeder  Fahrt ins Schullandheim einen Antrag auf Hilfe stellen müssen. In  Zukunft müssen arme Familien keinen symbolischen Euro mehr zum  Mittagessen in der Schule beisteuern. Das hat sich als  Bürokratiemonster erwiesen. Eine Familie soll auch weniger schnell  den Anspruch auf Kinderzuschlag verlieren, sobald sich das Einkommen  leicht erhöht. Das kann für die eine oder andere Familie den  Stresspegel senken. Doch die großen Probleme dieser Familien geht es  nicht an: Immer noch müssen Leistungen umständlich bei mehreren  Ämtern beantragt werden. Auch wenn die Beantragung vereinfacht werden soll, überfordert der Antrag viele Menschen. Schon bisher wurden  Hilfen gar nicht erst abgerufen. Der geplante höhere Kinderzuschlag  dürfte für manche nicht reichen, um den Weg aus Hartz IV zu finden.  Zum Beispiel für eine alleinerziehende Mutter, die in Teilzeit in  einem prekären Job arbeitet. Mindestens zwei Millionen Kinder wachsen mit Hartz IV auf. Häufig sind ihre Eltern gar nicht arbeitslos,  sondern "Aufstocker": Das heißt, ihr Arbeitseinkommen reicht nicht  für den Nachwuchs. Diesen Familien könnte eine eigenständige  Kindergrundsicherung helfen. Das Konzept hat die SPD nun  aufgegriffen. Viele Sozialverbände und der Deutsche Kinderschutzbund  fordern eine solche Lösung seit Langem. Diese Förderung würde alle  bisherigen Sozialleistungen für Kinder ersetzen. Sie ist gerechter,  weil hier der Staat für jedes Kind das gleiche ausgibt. Die Leistung  sieht 620 Euro pro Kind vor und sinkt mit steigendem Einkommen der  Eltern. Der Haken an der Sache sind die zu erwartenden jährlichen  Mehrkosten, die die Kindergrundsicherung bedeuten würde. Doch sie  wäre zugleich eine Zukunftsinvestition, um zu verhindern, dass Armut  und Perspektivlosikkeit sich von Eltern auf die Kinder "vererben".  Ein solches Gesetz wäre ein wirklich "Starkes-Familien-Gesetz", nicht nur ein halbstarkes. Viele Studien zeigen: "Arme" Kinder haben auch  im reichen Deutschland deutlich schlechtere Startchancen ins Leben.  Verfestigt sich dieser Mechanismus, schadet das der ganzen  Gesellschaft.
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