Von Tom Fairless und Christian Grimm
BERLIN (Dow Jones)--Europas Konjunkturmotor ist ins Stottern geraten. Die deutsche Wirtschaft ist am Jahresende einem BIP-Rückgang wohl nur knapp entgangen und konnte im Gesamtjahr 2018 um 1,5 Prozent zulegen. Das ist im Vergleich zu den plus 2,2 Prozent aus dem Jahr davor eine deutliche Abkühlung. In den Chefetagen der exportstarken deutschen Unternehmen sind die Sorgenfalten tief, auch wenn die größte Volkswirtschaft der EU nicht vor einer unmittelbaren Krise steht. Im Fokus steht die Furcht vor einem Ende des drei Jahrzehnte währenden China-Booms.
Im November schwächte sich das Wachstum der Exporte aus der Bundesrepublik in das Reich der Mitte gegenüber dem Vorjahresmonat auf rund 4 Prozent ab. In den Monaten zuvor hatten die Ausfuhren noch zweistellige Wachstumsraten verzeichnet. Neueste Konjunkturdaten aus der zweitgrößten Volkswirtschaft der Erde enttäuschten zuletzt die Märkte.
Für Schmerzen sorgt der Handelsstreit
Der Handelsstreit mit den USA und die als Folge von Washington verhängten Strafzölle beginnen, den chinesischen Unternehmen weh zu. Die Lieferungen der Werkbank der Welt in das Ausland fielen im Dezember um 4,4 Prozent. Gleiches gilt für die Importe - auch hier gab es entgegen den Schätzungen ein Minus. Ultimatives Alarmsignal für die deutsche Industrie sind die erstmals seit 2018 rückläufigen Autoverkäufe.
Nach Einschätzung von Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer hängt die Konjunkturentwicklung hierzulande stark von der Reaktion Pekings auf die Wachstumsabschwächung ab. Ministerpräsident Li Keqiang verkündete am Montag auf einer Plenarsitzung des Kabinetts, dass die Regierung härter arbeiten werde, um sicherzustellen, dass das Wirtschaftswachstum in einem angemessenen Bereich bleibe.
Peking schnürt Konjunkturpaket
Zu dem Maßnahmenpaket gehören mehr Kredite für kleinere Unternehmen, beschleunigte Infrastrukturinvestitionen des Staates und niedrigere Steuern. "Wenn sich die chinesische Wirtschaft trotzdem nicht fängt, würde die chinesische Regierung ihr Konjunkturpaket wohl massiv aufstocken", erwartet Krämer. Er warnte aber vor den Risiken einer ohnehin hohen Verschuldung von öffentlicher Hand und Unternehmen.
In die Vorstände großer deutscher Unternehmen ist deshalb aber noch keine Zuversicht zurückgekehrt, was den entscheidenden Wachstumsmarkt und Gewinnbringer betrifft. Volkswagen und der Zuliefererkonzern Continental leiden schon heute unter der geringere Nachfrage. Erst am Montag bereitete Conti seine Anleger auf geringere Renditen vor.
Gegenwind erwarten die Hannoveraner im ersten Halbjahr aus China, das unter dem Handelsstreit mit den USA leidet. Osram-Chef Olaf Berlien schickte vergangene Woche den Kurs seines Unternehmens nach unten, als er sich in einem Interview mit der Augsburger Allgemeinen besorgt über die nachlassende Auto-Konjunktur äußerte und auf die seit einigen Monaten rückläufigen Verkaufszahlen in China hinwies.
Brexit, Italien, Frankreich heißen die anderen Probleme
Das China-Problem Deutschlands ist bei weitem nicht die einzige ernsthafte Schwierigkeit. Verwerfungen drohen, sollte Großbritannien ungeordnet aus der EU austreten oder sich die italienische Regierung ernsthaft mit Brüssel anlegen. Wegen der seit Jahrzehnten schlechten Regierung will das Wachstum in der drittgrößten Volkswirtschaft der Eurozone nicht an Tempo gewinnen.
In Frankreich ist der Nimbus von Präsident Emmanuel Macron durch die Gelbwesten gebrochen. Auch für das wichtigste Partnerland der Bundesrepublik erwarten die Volkswirte ein gedämpftes Wachstum.
Die Ökonomen von Capital Economics haben ihre Prognose für den Anstieg der Wirtschaftsleistung der Eurozone 2019 wegen der ungünstigen Aussichten in den Top-3-Ländern von 1,8 auf 1,0 Prozent zusammengestrichen. "Ein Mix aus politischen Unwägbarkeiten hat einen scharfen Rückgang bei Verbrauchervertrauen und Geschäftsklima ausgelöst, während gleichzeitig die Produktionsdaten aus der Industrie sehr enttäuschend ausgefallen sind", begründeten die Analysten ihren Schritt.
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January 15, 2019 08:54 ET (13:54 GMT)
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