16. Januar 2019. Stagnation bei Kursen und Marktstimmung der Profis und ein
Rückzug der Privatanleger verbessern die Lage deutscher Aktien nicht.
Goldberg weiß, was fehlt.
Seit unserer vergangenen Stimmungserhebung hat sich der DAX kaum bewegt.
Zumindest ist auch die Handelsspanne mit knapp 2 Prozent seit dem
vergangenen Mittwoch als leicht unterdurchschnittlich zu bezeichnen.
Dabei hätte es durchaus Gründe gegeben, um den Aktienmarkt etwas stärker in
Unruhe zu versetzen. Sei es, dass die Situation um den Austritt
Großbritanniens aus der EU nach der als historisch zu bezeichnenden
Abstimmungsniederlage der britischen Premierministerin Theresa May am
gestrigen Abend wohl noch unübersichtlicher geworden ist. Aber auch die
gestiegenen globalen Wachstumssorgen haben dem DAX offenbar wenig anhaben
können.
Dabei hat gerade die jüngste Fondsmanagerumfrage von BofA Merrill Lynch (per
10. Januar) einen breiten Pessimismus bei den internationalen Fondsmanagern
zu Tage gefördert. Denn die Erwartungen für das weltweite Wachstum und die
Unternehmensgewinne haben sich weiter verfinstert. Netto 60 Prozent der
Befragten gehen davon aus, dass sich die Weltwirtschaft in den kommenden
zwölf Monaten abschwächen wird - das ist der pessimistischste Ausblick seit
Juli 2008.
Allerdings teilen die von uns befragten mittelfristig orientierten
institutionellen Investoren diesen Pessimismus hierzulande nicht. Denn der
Börse Frankfurt Sentiment-Index hat sich mit einem Minus von gerade einmal 3
Punkten gegenüber der Vorwoche auf einen Stand von +14 abgeschwächt. Dabei
ist der Anteil der Bullen mit 45 Prozent gegenüber der Vorwoche unverändert
geblieben, so dass sich der Rückgang im Sentiment-Index per Saldo auf ein
paar neue Pessimisten zulasten des Lagers der neutral gestimmten
Marktteilnehmer zurückführen lässt.
Etwas ängstlicher stellt sich dagegen das Stimmungsbarometer der
Privatanleger dar, so dass unser Börse Frankfurt Sentiment-Index für dieses
Panel einen Rückschlag von 11 Punkten auf einen Stand von +9 hinnehmen
musste. Dabei hat sich ein Großteil der abgewanderten Optimisten (5 Prozent
aller Befragten) direkt auf die Bärenseite geschlagen, ohne wahrscheinlich
aus den vorherigen Positionierungen größere Gewinne realisiert zu haben. Gut
möglich, dass die Brexit-Ereignisse und die daraus folgende Unsicherheit in
diesem Panel stärker als bei den institutionellen Pendants wahrgenommen
wurde.
Langfristige Käufer gesucht
Stellt sich die Frage, warum ausgerechnet die institutionellen Investoren an
ihren Engagements festgehalten haben? Neben den wahrgenommenen Risiken
dürften dabei die bislang nicht gerade üppig ausgefallenen Kursgewinne seit
der vergangenen Befragung eine Rolle gespielt haben. Denn seit vergangenem
Mittwoch hat sich der DAX gegenüber dem stichtagsbezogenen Erhebungskurs
vorübergehend gerade einmal um schlappe 74 Punkte befestigt. Für viele zu
wenig, um etwaige Gewinne vom Tisch zu nehmen.
Dass der DAX seit einigen Tagen nicht mehr so richtig vorankommen will,
dürfte auch auf die fehlenden internationalen Kapitalströme in Richtung
Eurozone zurückzuführen sein. Denn vorgenannte Umfrage zeigt auch, dass
nicht nur der Wachstumsausblick für die Eurozone, sondern auch die
Aktienallokation in diese Richtung sich zuletzt auf einem Sieben-Jahres-Tief
befunden haben. So gesehen verwundert es auch nicht, dass sich der DAX
derzeit im Niemandsland befindet und die Mehrheit der Akteure darauf wartet,
dass irgendjemand die Aktienkurse weiter nach oben bringt.
Allerdings ist derzeit nur eine Zunahme der heimischen Nachfrage
wahrscheinlich. Immerhin dürfte davon noch genügend vorhanden sein, denn in
der relativen Betrachtung auf die Sicht von drei bzw. sechs Monaten ist der
derzeitige Optimismus gerade einmal als durchschnittlich zu bezeichnen.
Allerdings sind größere Käufe nur auf deutlich niedrigerem Niveau zu
erwarten. Genauso bleibt die Oberseite durch mögliche Gewinnmitnahmen
zwischen 11.000 und 11.100 Zählern aus den bestehenden Positionen relativ
limitiert. Mit anderen Worten: Es bedarf frischen, langfristigen Kapitals,
um die derzeitige Pattsituation aufzulösen. Die Mindestvoraussetzung hierfür
wären zumindest ein paar ökonomisch oder auch politisch positive
Überraschungen.
16. Januar 2019, © Goldberg & Goldberg für boerse-frankfurt.de
(Für den Inhalt der Kolumne ist allein Deutsche Börse AG verantwortlich. Die Beiträge sind keine Aufforderung zum Kauf und Verkauf von Wertpapieren oder anderen Vermögenswerten.)
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