BERLIN (Dow Jones)--Das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) wirft einer jüngst veröffentlichten Studie über die Steuerbelastungen von multinationale Konzernen in der Europäischen Union "gravierende methodische und inhaltliche Schwächen" vor.
Laut ZEW wird beispielsweise die Berechnung der effektiven Steuerlast in der Studie als simples Verhältnis der Gesamtsteuerzahlungen zu Gesamteinkünften innerhalb eines Landes ermittelt. "Anstelle der gewählten Vorgehensweise empfiehlt es sich vielmehr, zunächst den Effektivsteuersatz eines Unternehmens zu ermitteln und dann den Durchschnitt aller Effektivsteuersätze zu bilden", so ZEW-Forschungsprofessor Christoph Spengel. Die Vereinfachung führe zu einer erheblichen Verzerrung der Ergebnisse.
Eine von der Grünen-Fraktion im Europaparlament in Auftrag gegebene Studie hatte ergeben, dass multinationale Konzerne überdurchschnittlich von Steuerprivilegien und Steuerschlupflöchern in der Europäischen Union (EU) profitierten.
Laut dem Grünen-Finanzexperten Sven Giegold könnten die ausgewerteten Daten der Studie "Effective Tax Rates of Multinational Enterprises in the EU" belegen, "dass kleinere, lokal tätige Firmen in den meisten Ländern spürbar benachteiligt werden gegenüber grenzüberschreitend tätigen Konzernen: Je größer das Unternehmen, desto geringer der effektive Steuersatz."
Die Studie des Prager Steuerexperten Petr Jansky basiert den Angaben zufolge auf den besten überhaupt erhältlichen länderspezifischen Steuerdaten, der sogenannten Orbis-Datenbank. Grünen-Bundestagsfraktionschef Anton Hofreiter hatte erklärt, die "neuen Erkenntnisse über die unverhältnismäßig niedrigen Steuerbeiträge von Großkonzernen in Deutschland und Europa sind ein Ärgernis und eine große Enttäuschung".
Das ZEW kritisierte, der Untersuchungszeitraum der Studie ende im Jahr 2015 und vernachlässige die seither vielfach in Angriff genommenen Reformmaßnamen. Daher warnte Spengel vor voreiligen Schlüssen.
"Der europäischen Steuerpolitik ist dringend angeraten, vor weiteren gesetzgeberischen Schritten zunächst die seit 2016 vorgenommenen Maßnahmen mit angemessenen Methoden zu evaluieren. Sonst besteht die Gefahr, dass der Standort Europa durch steuerpolitische Fehlentscheidungen nachhaltig Schaden erleidet", sagte Spengel.
(Mitarbeit: Andreas Kissler)
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January 24, 2019 10:49 ET (15:49 GMT)
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