Von Manuel Priego Thimmel
FRANKFURT (Dow Jones)--Trotz Risiken soweit das Auge reicht hat der DAX von den Jahrestiefs eine Rally von fast 1.000 Punkten hingelegt. Erhebliche Stimulierungsmaßnahmen durch die chinesischen Behörden, ein taubenhafter Sinneswandel bei der US-Notenbank und die Hoffnung auf eine substanzielle Annäherung im Handelsstreit zwischen den USA und China haben sich gegen zuletzt schwache Wirtschaftsdaten durchgesetzt.
In der kommenden Woche reist der chinesische Vize-Premier Liu He mit einer Delegation zu Handelsgesprächen nach Washington. Der Ausgang der Verhandlungen ist vollkommen ungewiss, für die Finanzmärkte aber von großer Bedeutung. In den vergangenen Tagen waren sehr unterschiedliche Aussagen aus US-Regierungskreisen zum Stand der Gespräche zu hören. Sollten die Verhandlungen scheitern, droht die Einfuhr neuer US-Strafzölle auf chinesische Importe zum 1. März.
Trostpflaster sind sicherlich drin, vielleicht sogar wahrscheinlich, da auch die US-Regierung angesichts der Wachstumsrisiken zunehmend einen Erfolg verbuchen muss. So könnte China etwa geloben, gewisse US-Waren stärker zu importieren, um den Handelsbilanzüberschuss zu reduzieren. Fortschritte bei fundamentaleren Problemen - der Schutz geistigen Eigentums sowie forcierter Technologietransfer - werden sehr viel schwerer zu erzielen sein.
Handelskonflikt mit Brüssel rückt bald wieder auf die Agenda
Überschattet vom Konflikt zwischen den USA und China findet der Handelsstreit zwischen Washington und Brüssel, nach dem von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Junker und US-Präsident Donald Trump ausgehandelten Waffenstillstand, kaum noch Beachtung. Bis zum 17. Februar muss das US-Handelsministerium einen Bericht vorlegen, der erörtern soll, ob die Importe europäischer Autos in die USA eine Bedrohung der nationalen Sicherheit darstellen.
Sollten die USA tatsächlich Strafzölle auf Autoimporte aus der EU verhängen, würde dies die Verhandlungen über ein Handelsabkommen nach Einschätzung der Commerzbank massiv erschweren. Autos seien für die EU ein ungleich wichtigeres Exportgut als Stahl oder Aluminium. Ein weiteres Hindernis auf dem Weg zu einem Abkommen seien US-Forderungen nach einer Öffnung des EU-Agrarmarktes für US-Waren, die die EU kaum akzeptieren werde, so die Analysten.
Derweil fallen die Wirtschaftsdaten weiter schwach aus. Wenn am kommenden Donnerstag das BIP der Eurozone für das vierte Quartal veröffentlicht wird, dürfte der gemeinsame Währungsraum nur knapp an einer Schrumpfung vorbeigeschlittert sein. Auf der Pressekonferenz im Anschluss an die geldpolitische Entscheidung der EZB am vergangenen Donnerstag hatte EZB-Präsident Mario Draghi erklärt, dass sich die Wirtschaftsrisiken für den Euroraum weiter abwärts entwickelt hätten, nachdem sie bislang noch weitgehend ausgeglichen gewesen seien.
Zinserwartungen werden immer stärker ausgepreist
In diesen Risiken liegen auch Chancen, die wesentlich für die jüngste Rally waren. Denn die Anleger setzen wieder verstärkt auf die Unterstützung durch die Notenbanken. Ein erster Zinsschritt in der Eurozone wird nun erst für Mitte 2020 erwartet. Zugleich sind in den USA die Währungshüter kräftig zurückgerudert: In ihren Projektionen gehen sie 2019 nur noch von zwei Schritten aus, der Markt erwartet überhaupt keinen mehr. Die Anleger gehen daher von einer taubenhaften geldpolitischen Sitzung der Fed in der kommenden Woche aus.
Derweil haben die chinesischen Behörden in den vergangen Wochen massive Stimulierungsmaßnahmen beschlossen, die auch das Wachstum in Europa bald wieder anschieben dürften. Der Grund für die Großzügigkeit ist sehr einfach - das dortige Wachstum ist 2018 mit 6,6 Prozent auf das niedrigste Niveau seit 1990 gefallen. Die Zeiten zweistelliger Wachstumszuwächse gehören auch im Reich der Mitte schon seit längerem der Vergangenheit an.
Ob die Rally weitergeht, hängt nun entscheidend vom Verlauf der US-chinesischen Gespräche ab. Die Berichtssaison für das vierte Quartal sollte indes keinen großen Stolperstein für die Börsen darstellen. Die Geschäftszahlen werden zwar nicht berauschend ausfallen, allerdings sind die Erwartungen in der Zwischenzeit auch nicht mehr allzu hoch. Die Unternehmens-Analysten haben ihre Schätzungen zuletzt kräftig nach unten revidiert - was Raum für positive Überraschungen eröffnet.
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January 25, 2019 07:43 ET (12:43 GMT)
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