Die Bundesregierung erwartet in diesem Jahr eine schwächere Konjunktur - die Lage auf dem Arbeitsmarkt und die Entwicklung der Einkommen aber bleiben stabil. Die Arbeitslosenquote werde voraussichtlich auf 4,9 Prozent sinken, die Zahl der Beschäftigten weiter steigen, wie aus dem am Mittwoch vorgelegten Jahreswirtschaftsbericht der Regierung hervorgeht. Die Nettolöhne für die Beschäftigten dürften ebenfalls steigen. Wirtschaftsminister Peter Altmaier sieht aber vor allem wegen einer schwächeren Weltwirtschaft und Risiken wie einem Chaos-Brexit einen zunehmenden Gegenwind für die deutsche Wirtschaft.
Für 2019 erwartet die Bundesregierung eine Zunahme des Bruttoinlandsprodukts von 1,0 Prozent. In ihrer Herbstprognose war sie noch von einem Plus von 1,8 Prozent ausgegangen. Im Gesamtjahr 2018 hatte Europas größte Volkswirtschaft nach einer ersten Schätzung des Statischen Bundesamtes um 1,5 Prozent zugelegt, nach jeweils 2,2 Prozent in den beiden Vorjahren. Im dritten Quartal hatten vor allem Probleme der Autoindustrie die Volkswirtschaft ausgebremst.
Die deutsche Wirtschaft befinde sich weiter auf Wachstumskurs, und zwar im zehnten Jahr in Folge, sagte Altmaier. Doch die Unsicherheiten nähmen zu. Der CDU-Politiker will deshalb gegensteuern. "Die guten Jahre können weitergehen, wenn wir klug und umsichtig handeln." Es mache Sinn, in Zeiten des Aufschwungs über ein Konjunkturprogramm nachzudenken, um Wachstumskräfte zu stärken. Dazu gehöre eine Entlastung der Arbeitnehmer und Unternehmen. Mit unterschiedlichen Maßnahmen könnten insgesamt 10 Milliarden Euro zusätzlich für Investitionsanreize zur Verfügung gestellt werden - ohne das Ziel eines ausgeglichenen Bundeshaushalts zu gefährden.
Konkret sprach sich Altmaier für ein Planungsbeschleunigungsgesetz aus, damit schneller investiert werden kann. Viele Mittel würden derzeit nicht abfließen. Daneben nannte er die von der Koalition bereits beschlossene steuerliche Forschungsförderung für Firmen. Bis zum Sommer wolle die Koalition dazu einen Gesetzentwurf im Bundestag einbringen. "Das ist ein wichtiges Signal an alle Unternehmen, die Forschung und Entwicklung betreiben", sagte Altmaier.
Daneben schlug er mehr steuerliche Anreize bei der energetischen Gebäudesanierung vor sowie Abschreibungsmöglichkeiten für geringwertige Wirtschaftsgüter. Außerdem solle Bürokratie abgebaut werden - etwa mittels weniger Dokumentationspflichten für Unternehmen. Altmaier forderte auch einen Fahrplan für einen vollständigen Abbau des Solidaritätszuschlags. Beim "Soli" planen Union und SPD bisher für 2021 eine Entlastung um 10 Milliarden Euro, die 90 Prozent der Soli-Zahler befreien soll. Die SPD ist gegen einen Komplett-Abbau.
Die Wirtschaft fordert seit langem Entlastungen. "Der Standort Deutschland gerät immer mehr unter Druck. Deutschland ist zum Höchststeuerland geworden", erklärte der Industrieverband BDI. Es sei überfällig, die Steuern zu senken, damit Unternehmen mehr investierten. Der Linke-Politiker Klaus Ernst sagte, die Inlandsnachfrage sei die Stütze der Konjunktur. "Insbesondere muss es auch darum gehen, dass die unteren Einkommensgruppen stärker an der wirtschaftlichen Entwicklung teilhaben."
SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil sagte, die Koalition habe bereits starke Impulse für das Wirtschaftswachstum beschlossen und investiere verstärkt in Infrastruktur, Digitalisierung und Entwicklung. "Arbeitnehmer werden zum Beispiel bei den Kita-Gebühren, durch höheres Kindergeld und die Rückkehr zum Halbe-Halbe-Prinzip bei den Krankenkassenbeiträgen um viele Milliarden Euro entlastet - und das ohne neue Schulden." Wenn Altmaier nun nach zusätzlichen Steuersenkungen rufe, ohne eine Gegenfinanzierung vorzuschlagen, sei das finanz- und wirtschaftspolitisch "komplett unseriös".
Die von der Koalition beschlossenen Entlastungen sorgen laut Jahreswirtschaftsbericht dafür, dass die Bruttolöhne in diesem Jahr noch deutlicher steigen. Der private Konsum als zentrale Säule des Wirtschaftswachstums bleibe stark. Der Aufschwung am Arbeitsmarkt setze sich fort, was angesichts des Arbeitskräftemangels zu kräftig steigenden Löhnen führe. Die Arbeitslosenquote wird im Jahr 2019 voraussichtlich auf 4,9 Prozent sinken - nach 5,2 Prozent im Vorjahr. Die Nettolöhne und -gehälter der Arbeitnehmer steigen laut Prognose um 4,8 Prozent und damit genau so stark wie 2018.
Trotz der zunehmenden wirtschaftlichen Unsicherheiten zeigen sich
die Verbraucher verstärkt in Kauflaune, wie aus einer Untersuchung
der GfK
Das knappe Arbeitskräfteangebot hat auch eine Schattenseite: weil in vielen Branchen Fachleute fehlen, produzieren Unternehmen nicht so wie sie könnten. Auch der Ausbau der Infrastruktur werde gehemmt. Das Problem soll auch mit mehr Fachkräften aus dem Ausland gelöst werden./hoe/DP/fba
AXC0228 2019-01-30/16:08